Musik, die in den neunziger Jahren interessanter klang als die zu diesem Zeitpunkt schon etwas durchgenudelten Alternative-Rock-Gesten, wurde in Ermangelung einer trennscharfen Kategorie gerne »Postrock« genannt. Erst euphorisch, später dann oft entnervt. Letzteres vor allem, weil Bands wie Explosions in the Sky, Mono oder God Is An Astronaut die Idee, nach dem angeblichen Ende von Rock eine weitgehend instrumentale, abstrahierte Variante von Rock zu spielen, als Anlass für schlimme sinfonische Kitschnudelei missverstanden.
Die kanadische Band Fly Pan Am gehört zur ersten Generation von Postrock-Bands und fabrizierte 1999 auf ihrem ersten Album wie auch auf den Nachfolgern eine aufs Wesentliche reduzierte Gitarrenmusik, die No Wave und Krautrock aufgenommen hatte und bei der schon einmal über zehn Minuten ein einzelner Akkord wieder und wieder und wieder gespielt wurde.
Erschienen sind die Fly-Pan-Am-Alben auf Constellation Records, einem Label, das zu den interessantesten in diesem Feld gehört. Die Postrock-Band Godspeed You Black Emperor, das Mutterschiff, veröffentlichen hier ihre Platten, da gibt es auch personelle Überschneidungen. Constellation sind offen für Jazz, Improvisation und Noise und damit mehr »Post« in Bezug auf Rock als alle, die einfach den Gesang weglassen und auf Monumentalität setzen.
Die ersten Platten von Fly Pan Am hatten ihren Reiz - aber die folgenden Alben hauten einen nie so richtig vom Hocker. »C’est ça« ist ein unerwarteter Quantensprung. Das neue Fly-Pan-Am-Album ist das erste seit 15 Jahren, und es schallert einem von der ersten bis zur letzten Minute in einer Direktheit entgegen, die bei allem Lärm und Geblubber und Geschrei, die in diesen Stücken mitschwimmen, immer durchweg diszipliniert daherkommt.
Schon der Opener, »Avant-gardez vous«, beginnt mit einen Duett aus kleinteiligem Laptop-Noise und Schlagwerk, das alle, die keinen Sinn für die Schönheit von fehlerhaften Klängen und Dissonanzen mitbringen, fix aus dem Raum treibt. Danach ist dann Platz für Schichten aus Synthies, Gitarren und Krach. Und Krach ist hier wirklich traumschön - fordernd, überschießend und das repetitive Schlagzeug und den Hochgeschwindigkeitsbass immer wieder übertönend in seiner dreisten Präsenz. Fly Pan Am ziehen in ihrer Musik mit Leichtigkeit Wände hoch und werfen sie wieder um.
Der verstärkte Einsatz von zwei Stimmen ist neu, die eine verschlafen-verhallt, die andere schreit wie am Spieß. Wenn man sich beim dritten Stück, »Bleeding Decay«, gerade schön in den stoischen Groove eingeklinkt hat und sich über die mit Gitarre, Bass und Schlagzeug erzeugten Loops freut, wird man mit einem Mal angebrüllt. Die wohlige Gemütlichkeit der kommerziell erfolgreichsten Postrock-Bands, sie taucht hier nicht einmal in Spuren mehr auf. Stattdessen haben Fly Pan Am, bei aller Klarheit, wie im Vorbeigehen so etwas wie eine zeitgemäße, harsche psychedelische Musik entwickelt.
Fly Pan Am: »C’est ça«
(Constellation Records/Cargo)
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1126395.waende-hochziehen.html