11,4 Prozent wählen Scholz und Geywitz
SPD-Basis stimmt in Stichwahl über Vorsitzendenduo ab / Kein deutliches Ergebnis in der ersten Runde
Sein Status als prominentester Bewerber um den SPD-Vorsitz hat Olaf Scholz nur bedingt geholfen. Der Vizekanzler und Finanzminister erhielt im Team mit der Brandenburgerin Klara Geywitz zwar das beste Ergebnis, konnte aber nur einen kleinen Teil der Parteimitglieder von sich überzeugen. Am Samstagabend war im Berliner Willy-Brandt-Haus bekannt gegeben worden, dass Scholz und Geywitz mit 22,68 Prozent auf dem ersten Platz landeten.
53,28 Prozent der rund 425 000 SPD-Mitglieder hatten sich an der Befragung beteiligt. Also haben insgesamt nur rund 11,4 Prozent aller SPD-Mitglieder für Scholz und Geywitz gestimmt. Mit ihnen an der Spitze wäre kein inhaltlicher Erneuerungskurs der Sozialdemokraten zu erwarten. Sie sind die Kandidaten des konservativen Flügels der SPD.
Dagegen setzen zahlreiche Parteilinke auf den früheren nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken. Sie erhielten 21,04 Prozent und ziehen somit in die Stichwahl ein. Eines ihrer Hauptanliegen ist eine gerechtere Umverteilung durch Änderungen in der Steuerpolitik. Das Duo konnte sich bereits im ersten Wahlgang auf die Unterstützung der Juso-Führung verlassen.
Der linke SPD-Basisaktivist Steve Hudson, der auch Mitglied der britischen Labour Party ist, sagte dem »nd«: »Der Sieg von Walter-Borjans und Esken in der Stichwahl wäre eine klare Niederlage für das Partei-Establishment und die einmalige Chance, sich von der verheerenden Politik der SPD seit dem einstigen Kanzler Gerhard Schröder zu trennen.«
Nach der ersten Runde sind Gesine Schwan und Ralf Stegner (9,63 Prozent), Boris Pistorius und Petra Köpping (14,61 Prozent), Karl Lauterbach und Nina Scheer (14,63 Prozent) sowie Michael Roth und Christina Kampmann (16,28 Prozent) ausgeschieden.
Die Stichwahl findet vom 19. bis 29. November statt. Vorher treffen die zwei vorne liegenden Duos bei mehreren Veranstaltungen aufeinander. Formal gewählt werden die neuen Vorsitzenden auf einem Bundesparteitag vom 6. bis 8. Dezember in Berlin.
Mit einer Live-Schalte verfolgten am Samstag auch die Delegierten des Berliner SPD-Landesparteitags die Übertragung des Ergebnisses des Mitgliederentscheids der SPD. Der Berliner Landesverband hatte zuvor ebenfalls um die grundsätzliche Ausrichtung der Partei gerungen. Nach langer Debatte stimmten die Delegierten in einer knappen Entscheidung gegen eine Unterstützung der Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen«, die in Berlin große Wohnungskonzerne mit jeweils mehr als 3000 Wohnungen vergesellschaften will. Damit konnte sich Berlins SPD-Landesvorsitzender und Regierender Bürgermeister Michael Müller mit seiner Position durchsetzen. Seiten 2, 8 und 9
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