Streitigkeiten unter Linken

Vor dem Bundesparteitag in Berlin ist vor allem ein SPD-Flügel tief gespalten

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor dem Beginn von Bundesparteitagen der SPD treffen sich traditionell die wichtigsten Vertreter von Flügeln der Partei, um Absprachen zu treffen. Diese dürften nun bei den Parteilinken besonders kompliziert werden. Sie sind sich uneins, welche Entscheidung die SPD auf ihrem Berliner Parteitag am Wochenende zur Zukunft der Großen Koalition treffen sollte.

Der Konflikt wird zwischen den »Regierungslinken«, die Kompromisse in der Koalition schließen wollen, und den »Oppositionslinken« ausgetragen. Letztere meinen, dass das Bündnis mit der Union der Hauptgrund für die Misere der SPD sei. Parteivize Ralf Stegner vertritt seit Jahren die erstgenante Gruppe. Er sagte am Donnerstag gegenüber der dpa, dass die Sozialdemokraten auf ihrem Parteitag weder roten Linien formulieren noch Ultimaten an die Union stellen sollten. »Solche Dinge macht man nur, wenn man ganz besonders töricht ist - und das ist die SPD nicht«, so der Norddeutsche vor Beginn der SPD-Vorstandssitzung. Dort wurde der Leitantrag an den Parteitag einstimmig beschlossen.

Vor dem Willy-Brandt-Haus mussten die Journalisten etwas länger als geplant auf die designierten Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans warten, die beide ebenfalls dem linken Parteiflügel zugerechnet werden. Esken sprach von einer »sehr lebhaften Sitzung«. »Der Leitantrag ist ein sehr guter Kompromiss, aber nicht die reine Lehre, von der wir überzeugt sind«, sagte die Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg. In dem Papier wird eine Zwischenbilanz zur Koalition gezogen. Zudem sind Punkte aufgeführt, welche die SPD über den Koalitionsvertrag hinaus umsetzen will. Hauptthemen sind der Klimaschutz, die Arbeitsmarktpolitik und Investitionen in die öffentliche Infrastruktur.

»Wir streben einen Mindestlohn in Höhe von zwölf Euro an und wollen in diese Richtung weiterarbeiten«, kündigte Walter-Borjans an. Nach einer harten Forderung an die Union klang das nicht. Esken und Walter-Borjans waren von den Mitgliedern mehrheitlich gewählt worden, weil sie sich als scharfe Kritiker der derzeitigen sozialdemokratischen Regierungspolitik präsentiert hatten. Nun befinden sich die beiden Politiker in einer Verteidigungshaltung. »Wir haben immer gesagt, dass der Ausstieg aus der Koalition kein Selbstzweck ist, es geht um die Inhalte«, so Walter-Borjans. Der frühere Finanzminister von Nordrhein-Westfalen lobte den parteiinternen Kompromiss, an dem neben konservativen Sozialdemokraten auch Parteilinke wie Stegner beteiligt waren. »Wir wollen zusammenstehen und Brücken bauen. Das sind Kompromisslinien, mit denen wir vor der Öffentlichkeit und den Menschen im Land bestehen können«, sagte Walter-Borjans.

Dagegen will das Forum Demokratische Linke 21 um die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis eine Abstimmung der Delegierten über den Ausstieg aus der Großen Koalition durchsetzen. Im Kurznachrichtendienst Twitter verlangte Mattheis, dass die Sozialdemokraten von der Union die Aufgabe der schwarzen Null fordern sollten. Für die Konservativen ist dies unannehmbar. »Angst war in den vergangenen Jahren ein schlechter Ratgeber. Auf dem Parteitag müssen wir mit Mut und Selbstbewusstsein vorangehen«, forderte Mattheis. Damit bezog sie offensichtlich auch Stellung in der Partei gegen diejenigen, die eine schwere Niederlage der SPD bei möglichen Neuwahlen befürchten.

Trotz der unterschiedlichen Haltungen hatte Stegner kürzlich Vorbesprechung für den Parteitag angekündigt, an denen DL 21, Jusos, die Parlamentarische Linke (PL) in der Bundestagsfraktion und die Linken im SPD-Vorstand, die Stegner selber anführt, teilnehmen sollten.

Diese Flügelgruppierungen funktionieren teilweise auch als Karrierenetzwerke. So haben sich dem Vernehmen nach Stegner, PL-Chef Matthias Miersch und der Vorsitzende der Jusos, Kevin Kühnert, wegen der Kandidaturen für wichtige Posten auf dem Parteitag abgesprochen. Kühnert will einer der drei neuen Vizechefs werden. Stegner lässt seinem jungen Kollegen den Vortritt, will aber selber weiterhin dem Präsidium angehören. Miersch ist seit zwei Jahren Fraktionsvizechef und hat erst einmal offenbar keine weiteren Ambitionen in der Partei.

Jusos, Parlamentarische Linke und die Vorstandslinken hatten vor fünf Jahren gemeinsam die sogenannte Magdeburger Plattform gegründet. Sie hatten damals angekündigt, künftig gemeinsam die Arbeit des linken Flügels zu koordinieren. Diese Aufgabe hatte zuvor viele Jahre das Forum Demokratische Linke 21 übernommen. Die Entscheidung, wer von den Parteilinken für welchen Posten kandidiert, fiel nun offensichtlich ohne die DL 21. Zumindest schrieb Stegner auf Twitter, er habe die DL 21 »nicht vorab vereinnahmen« wollen.

Sein Parteifreund Kühnert wird sich am Wochenende wohl auf Konkurrenz einstellen müssen. Der Vorstand nominierte Walter-Borjans und Esken für die Parteispitze, Lars Klingbeil soll Generalsekretär bleiben. Für einen Vizeposten wird die Brandenburgerin Klara Geywitz empfohlen, die gemeinsam mit Finanzminister Olaf Scholz die Mitgliederbefragung für den Parteivorsitz verloren hatte.

Auch die saarländische Ministerin und Landeschefin Anke Rehlinger ist eine Favoritin der SPD-Spitze für einen Vizeposten. Für das dritte Stellvertreteramt gibt es keine Empfehlung. Neben Kühnert hat auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil Ambitionen. Es gibt aber noch eine Möglichkeit, diesen Konflikt zu lösen. Der Parteitag kann auch noch entscheiden, vier statt drei Stellvertreter zu wählen.

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