nd-aktuell.de / 20.12.2019 / Politik / Seite 2

»Theater« und »Hundescheiße«

Das Hickhack um den Präsidenten spaltet nicht nur die politische Elite. Auch in den Kneipen der USA wird heiß diskutiert

Max Böhnel, Montclair

Früher Abend in Tierney’s Tavern. Wie so oft geht es hier in Montclair im Bundesstaat New Jersey unter der Woche gemächlich zu. Ein Mittfünfziger mit blond-grauem Pferdeschwanz lässt sich an der Theke nieder und bestellt frittierte Zwiebelringe. Auf einem Fernseher läuft CNN. Das Thema: Trumps beleidigender Brief an Demokratenchefin Nancy Pelosi. John, so stellt sich der Sitznachbar vor, schüttelt den Kopf. »War doch zu erwarten, dass Trump zurückkoffert«, sagt er, »und sonst ist auch alles abzusehen: Die Demokraten im Repräsentantenhaus klagen ihn an, die Republikaner im Senat sprechen ihn frei. Was für eine Überraschung!«

Beim zweiten Bier gibt sich John als registrierter Demokrat zu erkennen. Er sei »aber nicht mehr auf Parteilinie«, sagt er. Schon 2016 hätte er um ein Haar Trump gewählt, »damit der den Laden durchrüttelt, und frischen Wind reinbringt«, sagt er. Dann wählte er mit Hillary Clinton aber doch noch einmal »das kleinere Übel«. »Trump macht jetzt als Präsident Theater, aber die Demokraten machen auch nur Theater«, klagt John, »für uns Amerikaner gibt es wirklich Wichtigeres als das, was Trump dem ukrainischen Präsidenten am Telefon sagt.« An der Theke in der Mitte empfiehlt ein weißhaariger Alter gezapftes »Harp«. Tierney’s ist ein Familienbetrieb - und eine Institution in dem 35 000-Einwohner-Ort. Die aus Irland eingewanderten Großeltern Tierney hatten vor 85 Jahren aus ihrem Landwirtschaftsbetrieb eine Beer-and-Burger-Bar gemacht, die noch immer Menschen aller Couleur anlockt.

Ein junges Dreiergrüppchen sitzt nebenan auf hölzernen Barhockern um einen runden Tisch. Je einen Pint voller Bier vor, sich war man bis jetzt schweigend in die Smartphones vertieft. Jetzt aber wollen sie betonen, dass ihnen das Thema Impeachment keineswegs egal sei: »Absetzen. Absetzen. Absetzen«, heißt es in der jungen Runde. Die zwei Frauen und ein Mann stellen sich als Studierende der örtlichen Montclair State University vor, des zweitgrößten Colleges in New Jersey. Für die 20-jährige Fiona und ihre gleichaltrigen Freunde ist die Abstimmung am Mittwoch mehr als Theater. Die Kongressanhörungen hätten sie täglich verfolgt. Ihr Fazit: Trump »hat ganz klar versucht, eine ausländische Regierung zu erpressen, weil er auf der Suche nach Dreck am Stecken von Joe Biden war«. Für Fiona ist das ein »Verrat« an der Demokratie.

Nancy stimmt ihr zu. Trump sei für sie »von Anfang an ein übler Bursche« gewesen, der »schon wegen seiner sexistischen Äußerungen nie hätte Präsident werden dürfen«. Auch Michael - der dritte in der Runde - macht aus seiner Abscheu keinen Hehl. »Impeach the motherfucker!«, sagt er und hebt sein Glas. Darauf stoßen alle an. John, der den Trinkspruch mitgehört hat, kann darüber nur müde lächeln. »Junge Leute!«, sagt er. »Die waren 2016 doch noch gar nicht wahlberechtigt.« Das stimmt zwar, doch »naiv«, wie John meint, wirken sie nicht.

Vielmehr debattiert die Dreierrunde, wie es nach der gescheiterten Amtsenthebung - Trump wird wohl Mitte Januar vom Senat »freigesprochen« - im Wahlkampf weitergehen wird. Fiona glaubt, Trump werde seine rhetorischen Angriffe gegen alle Kritiker noch einmal verschärfen. Sie befürchtet sogar, dass der Präsident »seine Fans zu Gewalt aufstachelt«. Das sei aber auch ohne Impeachment zu erwarten. Nancy dagegen hofft, das Amtsenthebungsverfahren werde an Trump »kleben bleiben wie Hundescheiße«. Da nickt die ganze Runde.