nd-aktuell.de / 28.03.2020 / nd-Commune / Seite 46

Albert Camus und ein bisschen Kopfarbeit

Wie man über »Die Pest« zu Dessert-Törtchen kommt

Mike Mlynar

In diesen verrückten Tagen scheinen Leute, so hört und liest man, auch Tröstung oder gar (Er-)Lösung in der Literatur zu suchen. »Die Pest« von Albert Camus (1913-1960) ist dem Vernehmen nach ein besonderer Renner. Höchst spannend, höchst aktuell. Die eigentliche Spannung des Romans entspringt indes seiner Zeitlosigkeit. Denn er ist eine Parabel auf gesellschaftliches Engagement, Widerstand und Solidarität. Er macht gruseln, stärker aber noch macht er hoffend. Nicht ohne, dass der Literatur-Nobelpreisträger Camus schließlich eine Volte dahingehend schlägt, dass …

Doch sei hier aus Spannungsschutzgründen inhaltlich genug mit diesem grandiosen Text (Philipp Reclam jun. Leipzig, DDR, 1976, 254 S., 2 Mark). Nehmen Sie ihn sich unbedingt mal vor nach Homeoffice oder an freien Tagen, nach aufreibendem Dienst im Altenheim oder beim Warten auf den Rückruf des Hausarztes. Und lassen Sie den Fernseher aus! »Die Pest« ist d e r fehlende Kontrapunkt zur angsttreibenden Kommunikation dieser Tage.

Sollten Sie den Roman nicht im Bücherregal haben, versuchen Sie es im Internet. Werden Sie dabei ungeduldig, dann können Sie sich, quasi als Leseersatz, mit einer anderen Kopfarbeit ablenken: mit ein bisschen Torte (genießen!) und ein bisschen Mathe (denken!). Beides finden Sie übrigens hier vereint in diesem kleinen geometrischen Problem:

Unlängst, in einer Zeit, als Besuche bei Freunden noch die Regel waren, kamen auch für jeden Gast leckere Dessert-Törtchen auf den Tisch - und zwar rechteckige. Die waren bereits in zwei Teile geschnitten: nämlich in ein mit Kirschen belegtes Quadrat und ein mit Pfirsichen belegtes Rechteck. Die Fläche eines der beiden Teile betrug 17,5 cm². Eine Seite des kompletten Doppel-Dessert-Törtchens maß 14 Zentimeter. Wie lang war dessen zweite Seite?