Im Reich der Pinguine
Eine umfassende Studie ermittelt an der Antarktis und im Südlichen Ozean ökologisch besonders wertvolle Gebiete. Dabei berücksichtigt sie auch den Klimawandel
Von besonderer Bedeutung sind für die Tiere an der Spitze der Nahrungspyramide des südlichsten Kontinents die Küstengebiete, aber auch zwei ausgedehnte Regionen weit draußen im Ozean, wo sie große Mengen an Krill und Fischen finden. Das ist das Ergebnis einer umfassenden Studie, die kürzlich im Fachblatt »Nature« publiziert wurde. 81 Wissenschaftler*innen aus 13 Ländern werteten dabei über 4000 Bewegungsprofile von 17 Sturmvogel-, Albatros-, Pinguin-, Wal- und Robbenarten aus. »Das Besondere an der Studie ist jedoch, dass sie einbezieht, wie sich diese Gebiete im Klimawandel verschieben. Und genau da sollen die Schutzgebiete hin«, erklärt der Meeresbiologe Julian Gutt, Leiter eines Teilprogramms des Wissenschaftlichen Ausschusses für Antarktisforschung (SCAR), der die Studie mit Unterstützung des Centre de Synthèse et d'Analyse sur la Biodiversité, Frankreich und des WWF-UK durchgeführt hat.
Der Klimawandel hat schon heute spürbare Folgen für die antarktische Tierwelt: Speziell an der Antarktischen Halbinsel und im südwest-atlantischen Teil des Südlichen Ozeans steigen die Temperaturen seit Mitte des 20. Jahrhunderts überdurchschnittlich an. Das Meereis hat sich dort schon deutlich zurückgezogen. Im Kerngebiet der betroffenen Zone bedeckt es den Ozean rund drei Monate weniger im Jahr als noch vor 40 Jahren. Seit 2016 schrumpft es auch rund um den übrigen Kontinent mit Rekord-Niedrigwerten für 2017 und 2018.
Das betrifft zuallererst die Krillbestände. Die garnelenförmigen Krebstiere kommen besonders nordwestlich der Antarktischen Halbinsel in großen Schwärmen vor und bilden die Grundlage der antarktischen Nahrungskette. »In der Jugendform lebt der Krill unter dem Eis«, erzählt Gutt. »Im Frühling kommt er aus größerer Wassertiefe nach oben und ernährt sich von dem Algenrasen unterhalb des Eises. Wenn das jedoch zu früh schmilzt, verhungert er.« Manche Jahrgänge fielen somit ganz aus. Der Krill wandere zwar weiter nach Süden, doch die dortigen Bestände können den großen Ausfall in den nördlicheren Gefilden nicht ausgleichen, warnt Gutt. Infolgedessen gingen auch die Populationen von Adelie- und Zügelpinguinen in den letzten Jahren stark zurück. Beide ernähren sich hauptsächlich von Krill und sind zudem auf Packeis angewiesen. Bisherige Gewinner sind dagegen die Eselpinguine, die das offene Wasser bevorzugen.
Auch der mysteriöse Schwund der größten Königspinguinkolonie auf der Île aux Cochons, zwischen Madagaskar und der Antarktis, könnte dem Klimawandel geschuldet sein. Von vormals einer Million Exemplaren ist dort nur noch ein Zehntel übrig, heißt es in einem Artikel des aktuell erschienenen Hefts von »Science« zur Antarktis.
Bei einer fünftägigen Expedition zu der entlegenen Felsinsel konnte eine Gruppe von Wissenschaftler*innen um den französischen Vogelkundler Henri Weimerskirch sowohl Krankheiten als auch eine Zunahme von Räubern oder einen Umzug als Gründe für den Populationsrückgang ausschließen. Sie vermuten vielmehr, dass eine mögliche Verschiebung des Zirkumpolarstroms nach Süden die Tiere zwingt, noch weitere Distanzen bei der Nahrungssuche zurücklegen. Nach bisherigem Wissensstand fischen sie Hunderte von Kilometern von ihrem Brutgebiet entfernt, wo kaltes, antarktisches Oberflächenwasser auf wärmeres Oberflächenwasser aus dem Norden trifft und sich große Fischschwärme konzentrieren. Bei ihrer Rückkehr seien sie möglicherweise völlig entkräftet oder die Küken verhungert.
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