Demonstrieren muss sein
MEINE SICHT
Die Coronakrise treibt seltsame Blüten: Eigentlich wollte die rot-rot-grüne Koalition in Berlin Anfang Mai dieses Jahres mit einem neuen, besonders liberalen Versammlungsgesetz an die Öffentlichkeit treten. Seit der Föderalismusreform kann Berlin wie andere Bundesländer selbst Versammlungsgesetze erlassen, die dieses grundgesetzlich verankerte Recht regeln. Bislang macht die Hauptstadt von diesem Recht nicht nur partiell Gebrauch. Nicht weniger als ein »deutschlandweites Vorbild für ein demokratieförderndes und grundrechtsbezogenes Versammlungsrecht« war im Koalitionsvertrag des Mitte-links-Bündnisses versprochen worden.
Doch statt etwa um die Aufhebung des sogenannten Vermummungsverbotes auf Demonstrationen dreht sich die Debatte in der aktuellen Coronakrise um das faktische Totalverbot von Versammlungen, das in Berlin mit wenigen Ausnahmen derzeit in Kraft ist. Dass es angesichts des Ausmaßes der Verbreitung des Coronavirus Regelungen bedarf, will wohl kaum jemand ernsthaft anzweifeln. Es gibt einige Hinweise darauf, dass sich beispielsweise in Spanien bei Demonstrationen zum 8. März in Madrid viele Menschen infiziert haben könnten. Das Verbot von eng gedrängten Massendemonstrationen erscheint aus dieser Perspektive sinnvoll.
In Hinblick auf den bevorstehenden 1. Mai stellt sich dennoch die Frage, ob es nicht möglich gemacht werden könnte, dass unter Beachtung der Abstands- und Hygienevorschriften protestiert werden kann. Immerhin geht es um ein Grundrecht. In der aktuellen Krise ist politischer Protest in einer Demokratie nötiger denn je.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.