nd-aktuell.de / 08.05.2020 / Politik / Seite 10

Migrantische Gruppen fordern »Tag des Zorns«

Migrantische Selbstorganisationen und antirassistische Gruppen haben für den 8. Mai zu einem »Tag des Zorns« aufgerufen. »Für uns gibt es hier nichts zu feiern, seit Hanau schon gar nicht«, sagte Aila Kutlu, eine der Organisatorinnen von der »Migrantifa Berlin«, gegenüber dem »nd«. Eine Entnazifizierung habe in nie Deutschland stattgefunden. Rechter Terror sei für Migranten wieder Alltag, jeden Tag gebe es brutale Angriffe. »Es gibt keine Befreiung in den Zuständen, in denen wir uns befinden«, sagte Kutlu mit Verweis zum Gedenken an den 8. Mai. Mit dem Aktionstag wolle man nun einen Bezug zu den Missständen der Gegenwart herstellen. »Viele Leute haben Angst davor, dass in einer solch chaotischen Situation die militante und bewaffnete Rechte versucht, ihre Umsturzpläne zu verwirklichen«, erklärte die Aktivistin.

Ursprünglich hatten die migrantischen Gruppen zu einem Generalstreik für Freitag aufgerufen, um auf Rassismus und institutionelle Diskriminierung hinzuweisen. Aufgrund der Corona-Pandemie hatte man sich für alternative Protestformen entschieden. Unter anderem wollen die Initiativen am Freitagvormittag die Postfächer und Server von Ausländerbehörden, des Innenministeriums und der Bundesregierung mit Mailanfragen belasten. Zudem wird zu dezentralen Kundgebungen auf Straßen sowie dem Zeigen von Transparenten an Fenstern und Balkons aufgerufen. Um 21.30 Uhr soll zum Abschluss eine Gedenkminute für alle Opfer rassistischer und antisemitischer Gewalt sowie in Solidarität mit den Betroffenen stattfinden. Auf Balkons kann »Bist du wach?« von Azzi Memo, ein Benefizlied für die Todesopfer des Anschlags von Hanau, abgespielt werden.

Das Bündnis hinter dem »Tag des Zorns« fordert in einem Aufruf unter anderem die Aufklärung der NSU-Morde, finanzielle Entschädigungen für die Opfer und Opferangehörigen rechter Gewalt, die Auflösung von Geflüchtetenlagern an den Grenzen Europas und das Verbot der AfD. Allzu große Hoffnungen auf ein Einlenken der Institutionen macht man sich offenbar nicht. »Der Staat beweist jedes Mal auf neue, dass er uns nicht schützen wird«, sagt Kutlu. »Wir müssen zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen.« seb