War der vergangene Winter, fast ohne Minustemperaturen, eine Blaupause für die Zukunft?
Ja, nicht nur der. Es gab in der jüngsten Vergangenheit schon viele solche Winter. Im globalen Mittel beträgt die Erwärmung rund 1,1 Grad, in Deutschland sogar 1,5 Grad.
Sind Großstädte vom Klimawandel besonders stark betroffen, weil sie immer mehr aufheizen?
Natürlich. Die Auswirkungen sind dort deutlicher zu spüren. Deshalb müsste man anfangen, Städte so zu bauen, dass die Auswirkungen nicht ganz so katastrophal werden. Das heißt: mehr Grün, mehr Wasser. Das kühlt. Wenn man einen Schnitt durch Städte macht, sieht man bereits heute deutliche Unterschiede zwischen den Stadtteilen, die über viel Grün oder Wasser verfügen und denen, die davon wenig haben. Es ist erstaunlich, wie stark sich die Temperaturen unterscheiden. Auch mehr Beschattung und eine bessere Belüftung durch Schneisen sind enorm wichtig.
Höre ich da ein Argument gegen forcierten Wohnungsbau heraus?
Nein, das hängt immer davon ab, wie man es macht. Wir brauchen nun einmal Wohnungen. Städte bieten ja auch Chancen: Stichwort Sektorenkopplung. Man kann die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zusätzlich mit den Sektoren Wärme und Verkehr intelligent miteinander verkoppeln.
Wie funktioniert das?
Man kann beispielsweise überschüssigen, aus Wind oder Sonne gewonnenen Strom zur Wärmeerzeugung oder Herstellung von Wasserstoff nutzen oder in Batterien von Elektroautos speichern. Heizen mit Strom zum Beispiel galt lange als ineffizient und teuer. Überschüssiger Strom kann aber sehr einfach in klimafreundliche Wärme umgewandelt werden.
Hat die Politik den Ernst der Lage beim Klimaschutz mittlerweile erkannt?
Im internationalen Vergleich ist Deutschland der Einäugige unter den Blinden. Weltweit ist der CO2-Ausstoß seit 1990 um 60 Prozent gestiegen, hierzulande ist er um weit über 30 Prozent gesunken! Klar hätte Deutschland mehr machen können. Der Zusammenbruch der Wirtschaft im Osten des Landes nach der Wiedervereinigung hat ja erheblich zu dem guten Ergebnis beigetragen. Doch global betrachtet, zählt Deutschland zu den Guten.
Welche Großstädte sind vorbildlich in Sachen Klimaschutz?
Zum Beispiel Kopenhagen. Die Stadt wurde konsequent in Richtung Fahrradverkehr umgebaut. Hamburg hat zwar ebenfalls Fahrradstraßen, aber dort fahren auch viele Autos. Da fühle mich ich mich als Fahrradfahrer nicht sicher.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1140493.klimawandel-einaeugig-unter-den-blinden.html