nd-aktuell.de / 12.01.2021 / Politik / Seite 8

Das Phänomen

Sardana Awksentjewa tritt als Bürgermeisterin von Jakutsk zurück

Ewgeniy Kasakow

Sie war die erste Frau an der Spitze von Jakutsk, der 320 000 Einwohner zählenden Hauptstadt der Autonomen Republik Jakutien und kältesten Großstadt der Welt, gelegen im ewig frostigen Ostsibirien. Doch landesweite Bekanntheit erlangte Sardana Awksentjewa nicht deswegen, sondern weil sie 2018 als Kandidatin der bedeutungslosen »Partei der Wiedergeburt Russlands« gegen den Kandidaten der Partei von Präsident Wladimir Putin »Einiges Russland« gewann. Awksentjewa zog die Aufmerksamkeit der Opposition auf sich, aber Parteipolitik oder Einmischung in föderale Fragen erhoffte man sich von der nun 50-Jährigen vergeblich.

Stattdessen machte ihr für Russland ungewöhnlicher Führungsstil sie für die Medien interessant. Seit sie an der Spitze der Stadt stand, werden dort Dienstfahrten der Stadtverwaltung per Taxi erledigt - der Fahrzeugpark wurde zugunsten der Stadtkasse verkauft. Sie verzichtete auf pompöse Empfänge und sogar auf ihre Amtsantrittszeremonie. Dafür wurden die Preise für öffentliche Verkehrsmittel gesenkt. Selbst die Gebäude der Stadtverwaltung wollte Awksentjewa verkaufen und den Apparat aus den Dienstkabinetten in günstige »Coworking-Büros« umsiedeln. Ihre Antrittsrede hielt Awksentjewa auf Jakutisch, verzichtete aber im politischen Alltag weitgehend auf die bei ihren Kollegen aus »nationalen Regionen« so beliebte Ethnofolklore.

Bei der Abstimmung über die Verfassungsänderungen 2020 votierte Awksentjewa mit Nein, begründete diesen Schritt damit, dass sie als gewählte Bürgermeisterin nicht für die vorgesehene Abschaffung der Wahlen und für die Benennung der Stadtchefs von oben votieren könne. Konflikte mit »Einiges Russland« vor Ort vermied sie.

Am Sonntag verkündete Awksentjewa ihren Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen. Das Amt übernimmt provisorisch ihr Stellvertreter, ein Mitglied von »Einiges Russland«.