nd-aktuell.de / 26.01.2021 / Berlin / Seite 9

Quarantäne für über 2000 Menschen

24 Positivtests mit britischer Virusmutation in Vivantes-Kliniken, Ausbruchsgeschehen weiter unklar

Claudia Krieg

Patrick Larscheid kann auch am Montagnachmittag noch keine klaren Aussagen treffen. »Wenn wir wüssten, wie sich das Virus verbreitet hat, müssten wir hier keine Pressekonferenz abhalten«, sagt der Reinickendorfer Amtsarzt beim Onlinetermin des landeseigenen Klinikbetreibers Vivantes aufgrund der Schließung des Humboldt-Klinikums für Neuaufnahmen in der Nacht von Freitag auf Samstag nach einem Corona-Ausbruch der britischen Variante B117.

Es habe keine andere Chance als den Aufnahmestopp gegeben, da der Ausbruch ein Ausmaß angenommen hatte, dass man habe »schlecht überblicken können«, so der Amtsarzt in einer Mitteilung des Bezirks Reinickendorf am frühen Sonntagabend.

Bei bislang mindestens 24 Menschen - 22 Patient*innen in Reinickendorf und zwei im Spandauer Vivantes-Krankenhaus - war bis zum Montag eine ansteckendere Coronavirus-Variante nachgewiesen worden. Im Humboldt-Klinikum sind es 14 Patient*innen und sechs Mitarbeiter*innen einer Station für Innere Medizin und Kardiologie, bei denen im Rahmen von Routine-Screenings die Virusmutation diagnostiziert wurde. Routine heißt: Beschäftigte werden, wenn sie symptomlos sind, dann getestet, wenn es nachweislichen Kontakt zu Covid-positiv getesteten Patient*innen gegeben habe, erklärte Sven Gläser, Zentraler Pandemiebeauftragter des Vivantes-Klinikums auf Nachfrage, warum Beschäftigte nicht täglich per Schnelltest auf eine mögliche symptomlose Infektion hin überprüft würden. Es sei zu überlegen, ob es hier nicht Bedarf nach häufigeren Tests gebe, so Gläser.

Das bezirkliche Gesundheitsamt hatte am Freitag das Robert-Koch-Institut (RKI) um Amtshilfe gebeten, um gemeinsam den Ausbruch zu untersuchen. Es habe sehr starke Hinweise gegeben, dass sich das Geschehen auch im Humboldt-Klinikum möglicherweise schon stärker verteilt habe, so Larscheid. Es sei nicht mehr deutlich gewesen, ob es sich um einen Ausbruch oder parallele Ausbrüche handle.

Es handelt sich nicht um die ersten Nachweise der Variante in Berlin - auffällig ist hier jedoch, dass sich keine Verbindungen zu Reisen nach Großbritannien rekonstruieren ließen. Seit einer Woche werden Tests gezielt auf die Virusmutante hin untersucht. So ist die Häufung in Reinickendorf aufgefallen.

Das Krankenhaus ist bis auf Weiteres für die Aufnahme neuer Patient*innen, für ambulante Diagnostik und für ambulante Eingriffe gesperrt. Man konzentriere sich auf die derzeit dort stationär behandelten Patienten, hieß es. Notfälle werden unter anderem mithilfe der Feuerwehr in andere Krankenhäuser gebracht. Zugangsbeschränkungen zum Klinikum wurden verschärft, auch Liefer- und Handwerkerdienste haben vorerst keinen Zutritt mehr.

Nach Angaben vom Wochenende sind derzeit rund 400 Menschen in der Klinik in Behandlung. 1700 Mitarbeiter*innen des Krankenhauses stehen unter sogenannter Pendelquarantäne. Sie dürfen nur zwischen ihrem Zuhause und der Klinik unterwegs sein, der landeseigene Sammeltaxidienst Berlkönig übernimmt die Fahrten, damit die Beschäftigten nicht den öffentlichen Nahverkehr nutzen müssen.

Man werde mit Hochdruck daran arbeiten, die Untersuchungen voranzutreiben, Kontakte nachzuverfolgen und die weitere Ausbreitung möglichst einzudämmen, erklärte Reinickendorfs Gesundheitsstadtrat Uwe Brockhausen (SPD). Entsprechend intensiv werde im Augenblick im Krankenhaus auf das Coronavirus getestet.

Die dringende Notwendigkeit einer dichteren Testtaktung betonte auch der Gesundheitsexperte Wolfgang Albers (Linke) gegenüber »nd«. Man müsse den Zugang zu sensiblen Bereichen mit Schnelltests sichern, erklärte Albers im Gespräch. Er kritisierte, dass es in Einrichtungen wie Pflegeheimen und Krankenhäusern nach wie vor kein stringentes Verfahren vor Betreten beziehungsweise Dienstantritt gebe.