nd-aktuell.de / 16.02.2021 / Politik / Seite 6

Melbournes dritter Lockdown

Australien riegelt wegen fünf Neuinfektionen kompletten Bundesstaat ab

Barbara Barkhausen, Sydney

Gerade mal fünf Neuinfektionen haben einen Lockdown ausgelöst: Für fünf Tage müssen Millionen Menschen in Melbourne und im Rest des australischen Bundesstaates Victoria zu Hause bleiben. Doch Dan Andrews, Regierungschef von Victoria, will nichts riskieren. Eine zweite Covid-Welle war dem Politiker im Juli »entglitten« und hatte letztendlich einen über hundert Tage andauernden Lockdown zur Folge.

»In den letzten 24 Stunden wurden dem Gesundheitsministerium fünf Coronafälle gemeldet«, gab Andrews am Freitag bekannt. Damit sei ein Cluster, der in einem Quarantänehotel am Flughafen ausgebrochen war, auf 19 aktive Fälle angewachsen. Brisant sind zwei Faktoren: Ein Infizierter hielt sich in einem Café im Terminal des Flughafens auf, zum anderen handelt es sich bei dem Ausbruch um die hochansteckende britische Virusmutation.

Wie auch schon während des harschen, fast viermonatigen Lockdowns, den Melbourne von Juli bis Oktober durchstand, dürfen die Menschen ihr Haus bis Mittwoch nur für essenzielle Tätigkeiten oder zum Sport im Freien verlassen. Dabei sollen sich alle nicht mehr als maximal fünf Kilometer von ihrem Zuhause entfernen. Privatbesuche sind vorübergehend verboten, auch die Maskenpflicht ist zurück. Die Australian Open sollen weitergehen, allerdings ohne Zuschauer. Internationale Flüge nach Melbourne werden pausiert. Nur Geschäfte wie Supermärkte, Apotheken und Tankstellen sind geöffnet, Restaurants und Cafés dürfen »zur Mitnahme« anbieten. Laut Jennifer Westacott, der Geschäftsführerin des Business Council of Australia, werde die fünftägige Ausgangssperre »enorme soziale und wirtschaftliche Kosten« mit sich bringen. Vor allem Besitzer von Blumenläden, die wegen des Valentinstages am Sonntag viele Blumen bestellt hatten, zeigten sich am Boden zerstört.

Andrews betonte, man müsse so schnell reagieren, da die britische Virusvariante so extrem ansteckend sei und sich deswegen enorm schnell ausbreite. »Das ist eine sehr reale Herausforderung für den Status, die Sicherheit, das offene Land und all das Kostbare, das wir uns im Laufe des Jahres 2020 aufgebaut haben.«

Trotz strenger Isolationsregeln für Reisende und Rückkehrer haben sich nun zum wiederholten Male in australischen Quarantänehotels Mitarbeiter mit Sars-CoV-2 infiziert. Im vergangenen Monat musste deswegen bereits eine dreitägige Ausgangssperre für Brisbane verhängt werden. Ein ähnlicher Vorfall löste Anfang Februar einen kurzen Lockdown in Perth aus. In den vergangenen Wochen wurde deswegen immer wieder über eine zentrale Quarantänestation diskutiert, wie es sie früher für Neuankömmlinge in Australien gab, um Krankheiten wie Masern, Typhus und Pocken vom Land fernzuhalten. »Victoria würde wahrscheinlich nicht in diese Art Lockdown gehen, wenn es spezielle nationale Quarantäneeinrichtungen gäbe«, betonte der stellvertretende Ministerpräsident von Queensland, Steven Miles, am Freitag erneut.

Dass Australien bereits auf wenige Fälle mit so drastischen Maßnahmen reagiert, hat den Erfolg des Landes in der Pandemiebekämpfung sichergestellt. Bisher zählte das Land knapp 29 000 Infektionen und etwas über 900 Tote. Neben dem schnellen Abschotten von Städten und Bundesstaaten gehören auch geschlossene Außengrenzen, das erwähnte Quarantäneprogramm für Rückkehrer sowie eine ausgeklügelte Kontaktverfolgung zur Strategie des Landes.

Damit die Behörden, wie jetzt im Fall von Melbourne, in kürzester Zeit Hunderte oder sogar Tausende Kontakte von Infizierten kontaktieren können, scannen Australier an allen Orten - ob im Supermarkt und in Geschäften, im Taxi oder im Schwimmbad, im Café oder Restaurant - einen QR-Code mit der Kamera ihres Mobiltelefons ein. Dieser Prozess öffnet dann entweder eine App oder eine Website, auf der man seinen Namen und seine Telefonnummer eingibt. Datum und Uhrzeit werden automatisch erfasst. Stellt sich später heraus, dass jemand, der zur selben Zeit vor Ort war, ein positives Testergebnis hat, können die Gesundheitsämter die Menschen schnell informieren, testen und isolieren. Aufgrund der bisher 19 bestätigten Fälle in Victoria mussten sich etwa tausend Menschen in Quarantäne begeben.