Wenn es in Europa noch irgendwo einen absolutistischen Herrscher gibt, dann in Bosnien-Herzegowina. Dieses kriegsgebeutelte Land wird von dem »Hohen Repräsentanten« der internationalen Gemeinschaft nach Gutdünken geführt. [1]Seit dem 1. August hat in Sarajevo der CSU-Politiker Christian Schmidt das Sagen. Er kann nun gewählte Vertreter absetzen, Gesetze annullieren oder eigene erlassen - er ist Statthalter in diesem westlichen Protektorat, das lediglich mit einer dünnen demokratischen Hülle bemäntelt ist.
Zwar gibt es in Bosnien auf regionaler und nationaler Ebene 14 Regierungen, aber über ihnen steht Schmidt. Er folgt damit dem Österreicher Valentin Inzko, der über zwölf Jahre dazu beigetragen hat, Bosnien in Armut und Abhängigkeit zu halten. Schmidts Ernennung Ende Mai erfolgte gegen die Stimme Moskaus. Im Juli scheiterte zudem ein russischer Antrag im UN-Sicherheitsrat, den Posten des Hohen Repräsentanten abzuschaffen. Der Westen - vor allem Deutschland - kann sich so als vorläufiger Sieger im Ringen um Bosnien fühlen.
Schmidts hat einen großen Erfahrungsschatz, wenn es darum geht, die Interessen einer Minderheit gegen die der Mehrheit durchzusetzen. So sorgte er 2017 als Bundeslandwirtschaftsminister mit seinem Alleingang dafür, dass das Pflanzengift Glyphosat erneut in der EU zugelassen wurde. Die Bundesregierung brachte das in eine Krise, dem Chemiekonzern Bayer bescherte es weiterhin satte Profite.
Da fragt man sich, wo der CSUler seine Führungsstärke herhat. Vielleicht hängt dies mit seiner Leidenschaft für die Gebirgsjäger zusammen. Dieser sich mitunter als militärische Elite verstehenden Truppe fühlt sich Schmidt auch nach seinem dortigen Grundwehrdienst eng verbunden. Dass zur Tradition dieser illustren Soldateska auch verschiedene Kriegsverbrechen auf dem Balkan gehören, verwundert nicht. Schmidt ist nun Deutschlands Mann in Sarajevo.