Dass sowohl die neue deutsche Außenministerin als auch der neue Bundeskanzler Warschau zu Stationen allererster Dienstreisen machten, ist angesichts der vielfach komplizierten Beziehungen zum Nachbarland wichtig. Viel mehr als ein Kennenlernen und ein erster - nicht immer höflicher - Austausch waren es jedoch nicht. Allerdings wurde im Gesagten wie im Nichtgesagten, eine sehr tiefgehende Differenz zwischen der nationalkonservativen polnischen PiS-geführten Regierung und der deutschen Ampelregierung deutlich: und zwar im Verständnis der Europäischen Union.
Polens Premier Mateusz Morawiecki hatte zuletzt in Brüssel[1] seine Idee seines Europas dargelegt - samt einer EU, die wenig bis gar nichts in inneren Angelegenheiten ihrer Mitgliedsstaaten zu sagen hat. Annalena Baerbock[2], mehr noch Olaf Scholz, traten in Warschau dagegen mehr als Vertreter einer immer enger zusammenwachsenden EU auf - deshalb ließen sie sogar manche Anwürfe, die explizit an Deutschland gerichtet waren, buchstäblich ins Leere laufen. Nur: Lange werden beide nicht um Berliner Antworten zu Nord Stream 2, der Lage an der EU-Außengrenze zu Belarus[3] oder den »Justizreformen« herumkommen. Der Verweis auf abstrakte Prinzipien oder Brüssel allein wird im deutsch-polnischen Dialog nicht reichen.