Die Beschäftigten in den Arztpraxen hierzulande hatten in den letzten beiden Jahren alle Hände voll zu tun: Schutzmaßnahmen gegen mögliche Sars-CoV-2-Infektionen, Impftermine organisieren, infizierte Patienten separat behandeln. Dennoch blieb eines gleich: Individuelle Gesundheitsleistungen (abgekürzt Igel) wurden weiter angeboten und verkauft. Dazu gehören der Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung, der PSA-Test für Männer, Vitamin-Screenings oder angeblich immunstärkende Vitaminkuren. Diesen Angeboten ist gemein, dass die gesetzlichen Kassen sie nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen bezahlen, die Patienten also zum eigenen Portemonnaie greifen[1] müssen. Ziemlich schlecht - und zwar selbst nach wiederholter Prüfung von vielleicht neuen Daten - sieht es mit dem Nutzen solcher Angebote aus.
Zum zehnten Jahrestag des Igel-Monitors, den der Medizinische Dienst Bund veröffentlicht, fiel das Fazit für diesen Bereich am Donnerstag eher ernüchternd aus. 55 Individuelle Gesundheitsleistungen werden aktuell unter die Lupe genommen - nur zwei davon schließen mit »tendenziell positiv« ab: Akupunktur zur Migräneprophylaxe und Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung (»Winterdepression«). Alle anderen betrachteten Angebote schneiden schlechter ab: Die Bewertung reicht von »unklar« über »tendenziell negativ« bis zu »negativ«.
Wie eine Bewertung seitens des Igel-Monitor-Teams erfolgt, zeigt das Beispiel der Vitamin-Checks und -kuren[2] bei möglichem Vitamin-B12-Mangel. Bei einer systematischen wissenschaftlichen Recherche wurden keine Studien gefunden, die darauf hinweisen, dass diese Leistung die Gesundheit der Betroffenen verbessert. Mögliche Schäden sind eher unwahrscheinlich; in sehr seltenen Fällen können bei der Vitamingabe mittels Injektion oder Infusion allergische Reaktionen auftreten. Daher erhielt diese Leistung die Bewertung »unklar«.
Das Problem solcher Therapien und Diagnoseverfahren ist aber nicht nur, dass sie keinen Nutzen bringen. Sondern sie können auch schaden, wenn sie - wie im Fall der Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung - viele falsch positive Befunde mit sich bringen, die weitere Diagnoseversuche und Stress für die Patientinnen bedeuten. Aus internationalen Fachkreisen wird sogar von dieser Untersuchung abgeraten.
Ein weiterer Nachteil ergibt sich daraus, dass Arztpraxen, die auf diese Leistungen setzen, zugleich Zeit für die Erbringung von Regelleistungen verlieren. Beim Team des Igel-Monitors wird nicht erst seit Neuestem beobachtet, dass die Anbieter in Richtung der Nutzung solcher Leistungen auch Druck ausüben: Wird eine Igel gebucht, gibt es schnell einen Termin, wenn nicht, dann erst Wochen später - oder im schlechtesten Fall auch gar nicht. Von Patienten wird das durchaus kritisch wahrgenommen. Die Webseite www.igel-monitor.de[3] wird jeden Tag etwa 1500 Mal aufgerufen. Eine weitere Möglichkeit für Beschwerden bietet die Verbraucherzentrale mit einer Online-Pinnwand[4] zum Thema.