nd-aktuell.de / 18.04.2023 / Kommentare / Seite 1

Neue Rechte: Hat Marcel Lepper zu tief gegraben?

Marcel Lepper wollte die braune Geschichte der Siemens-Stiftung aufarbeiten und wurde prompt als deren Geschäftsführer entlassen

Erik Zielke

Karrieren wie die von Marcel Lepper erzählen einiges über den Wissenschaftsbetrieb der Gegenwart. 1977 geboren, studierte er an mehreren renommierten Universitäten im In- und Ausland. Im zarten Alter von 28 Jahren übernahm er die Leitung der Arbeitsstelle für die Erforschung der Geschichte der Germanistik am Deutschen Literaturarchiv Marbach. Im Folgejahr wurde er promoviert und verdingte sich bald als Leiter des Forschungsreferats im Deutschen Literaturarchiv. 2015 wurde Lepper habilitiert. Alsbald war er (Kurzzeit-)Leiter des Literaturarchivs der Akademie der Künste in Berlin, erfreute sich einer Professor in Stuttgart. 2020 wechselte er nach Weimar, wo er Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs war. Eine Professur in Leipzig ließ nicht lange auf sich warten. Mit den Spitzenpositionen im Forschungsbereich sieht es so anders nicht aus als in der sogenannten freien Wirtschaft: Immer schön flexibel bleiben.

Im April 2022 übernahm Lepperer die Geschäftsführung der Carl Friedrich von Siemens Stiftung. Es nimmt nicht wunder, dass er bereits wieder seine Koffer gepackt hat. Allerdings ist er dieses Mal nicht zum nächsten Posten geeilt, sondern wurde schnöde entlassen. Was ist passiert? Der Literaturwissenschaftler ließ an seinem ersten Arbeitstag aus seinem neuen Büro eine Karte abhängen, die die Grenzen des großdeutschen Reiches konserviert. Er wollte als Geschäftsführer die braune Geschichte der Stiftung aufarbeiten, die als großzügiger Förderer der Geisteswissenschaft bekannt ist, und herausfinden, wie sehr der rechtsradikale Intellektuelle Armin Mohler, der erste Geschäftsführer, die Stiftung für politische Zwecke missbraucht hatte und welche reaktionären Seilschaften es seither in der bis heute männerbündlerisch und zum Teil klandestin organisierten Stiftung gab und gibt. Das war dem Stiftungsrat offenbar zu viel. Ob nach Leppers Abberufung die Deutschlandkarte wieder am angestammten Platz zu finden ist?