Seine ist nicht gleich Spree. Trotzdem kann Berlin von der französischen Hauptstadt lernen, findet Jan Edler. »Auch in Paris war das ein sehr langer Prozess. Zu guter Letzt haben die kommenden Olympischen Spiele in Frankreich als Motor gewirkt«, sagt das Vorstandsmitglied des Vereins Flussbad Berlin zu »nd«. Gerade erst hat die Pariser Bürgermeisterin das verkündet, von dem seine Initiative in Berlin noch träumen muss. Ab 2025 darf an ausgewählten Stellen der Seine wieder gebadet werden. Vor rund 100 Jahren hatte die schlechte Wasserqualität zu einem Schwimmverbot geführt.
»Bei der Bewerbung für die Special Olympics[1] waren Freiwasserkämpfe in der Spree auch ein Thema«, sagt Edler. »Leider hat man dann kalte Füße bekommen.« Mit dem Stichjahr 2025 würde sich Edler allerdings auch zufriedengeben: »Es wäre ein tolles Jubiläum für Berlin. Wie in Paris wäre das Schwimmverbot dann 100 Jahre her.«
Sowohl die Seine als auch die Spree sind mit der städtischen Mischwasserkanalisation verbunden – und das macht Probleme. Wenn es zu viel in zu kurzer Zeit regnet, wird die Kanalisation in den Fluss entlastet. »Wenn das passiert, wird die Wasserqualität in der Spree natürlich sehr schnell katastrophal schlecht. Dabei ist sie oft sehr gut«, erklärt Edler.
Zudem nehme die Häufigkeit solcher Überläufe insgesamt ab: Während sich zwischen 2009 und 2013 im Durchschnitt noch 16,2 solcher Überläufe ereignet hätten, seien es zwischen 2014 und 2021 nur noch 6,5 gewesen. »Es ist ein Zeichen, dass die Maßnahmen, die Berlin getroffen hat, so langsam Wirkung zeigen. Rückhaltebecken wurden gebaut und das Stichwort ›Schwammstadt‹[2] ist mittlerweile auch ein Begriff.«
Mit einem neuen Wasserforschungsprogramm will Flussbad Berlin nun den entscheidenden Schritt machen. Eigenen Angaben zufolge hat der Verein das Kompetenzzentrum Wasser Berlin damit beauftragt, ein Monitoring zu entwickeln, dass nachmisst, wann die Spree im Berliner Zentrum die Voraussetzungen zum Baden erfüllt und wann nicht. »Bisher wurde viel mit Wetterdaten und historischen Daten gearbeitet. Das können wir jetzt mit Datenerhebungen in Echtzeit paaren«, sagt Edler. Außerdem habe man wichtige Einzugsgebiete mit Sensoren ausgestattet.
All das führe dazu, dass die Analysen im Vergleich zu früher deutlich zuverlässiger sind. »Das ist ein riesiger Fortschritt«, stellt Edler fest. Auch in Paris werde ein digitales Tool zum Monitoring der Wasserqualität eingesetzt. Das Vorstandsmitglied rechnet damit, dass die Untersuchungen in ein bis zwei Jahren abgeschlossen sind, auf deren Grundlage dann eine App an den Start gehen soll. »Das Flussbad wird so vom Hardware-Projekt zum Software-Projekt«, sagt Edler. Für ein Bad müsse dann eigentlich kaum noch etwas gebaut werden, kostenintensive Anlagen seien nicht notwendig.
Wasserfilter würde Edler nach wie vor begrüßen, auch weil sie bei den Badenden für ein gewisses Sicherheitsgefühl sorgen können. Doch: »Statt sich Fantasien vom Untergang der Museumsinsel, von riesigen Müllbergen[3] und betrunkenen Badegästen zu machen, könnte man es einfach mal ausprobieren.« Voraussetzung hierfür ist allerdings eine Anpassung der Badegewässerverordnung. Sie müsste Schwimmgenehmigungen anhand von digitalen Programmen erst noch erlauben.
Besonders rund lief es in den vergangenen Jahren nicht. Nach einem vermeintlichen Vergabeverstoß bei einer Ausschreibung fordert der Berliner Senat eine Rückzahlung von über 10 000 Euro vom Flussbad-Projekt. Das wiederum hat hiergegen Klage eingereicht. Noch im Februar hatte der Senat zudem entscheidende Fragen hinsichtlich der Wasserqualität als ungeklärt bezeichnet. Um den Bau einer Freitreppe, die am Stadtschloss zum Spreeufer führen soll, wurde ebenfalls lange gestritten. Im neuen Koalitionsvertrag bekennt sich Schwarz-Rot jedoch zu dem Projekt.