Die letzten Meter geht Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) zu Fuß. Er hält an einer schattigen Stelle und raucht noch eine Zigarette. Es wäre nicht pädagogisch, dies direkt vor der Prinz-von-Homburg-Schule in Neustadt (Dosse) zu tun. Deren Gebäude wird am Dienstag nach dreijähriger Sanierung feierlich wiedereröffnet. Am Mittwoch gibt es Zeugnisse, dann geht es in die Sommerferien. Bis zum Beginn des neuen Schuljahrs erledigen Handwerker noch Restarbeiten.
Das Schulgebäude stammt aus den 60er Jahren und wurde in den 90er Jahren mit einem Anbau versehen. Bei der Sanierung habe der neue Teil mehr Schwierigkeiten bereitet als der ältere, erzählt Architekt Hubertus Eilers. Der sei Typ Potsdam und einmalig in Brandenburg, könnte gut und gern unter Denkmalschutz stehen. Sehr schön sind die begrünten Innenhöfe. Auf 11,7 Millionen Euro waren die Kosten der Sanierung ursprünglich veranschlagt, geworden sind es 14 Millionen Euro. Für das Amt Neustadt (Dosse) ist das eine Stange Geld und aus eigenen Kräften nicht zu stemmen. Geklappt hat es mit 4,5 Millionen Euro an Fördermitteln vom Land Brandenburg. Geholfen hat der frühere Finanzminister Christian Görke (Linke) vor seiner Ablösung 2019 mit Mitteln aus einem Investitionsprogramm für die Einrichtung von Schulzentren[1].
Schulzentrum ist in Brandenburg der Begriff für eine Gemeinschaftsschule, an der alle gemeinsam lernen – von der ersten bis zur zehnten oder bis zur 13. Klasse. Es ist das Gegenmodell dazu, gute und weniger leistungsfähige Schüler spätestens in der 7. Klasse zu trennen und entweder auf Gymnasien zum Abitur zu führen oder auf anderen Schulen zum Abschluss der zehnten Klasse.
Die Linke hat sich schon immer für ein längeres gemeinsames Lernen eingesetzt. Jetzt freut sich Görke, inzwischen Bundestagsabgeordneter, über die bereits 2018 erfolgte Zusammenlegung der Grundschule und der Gesamtschule »Prinz von Homburg« zu einer Gemeinschaftsschule und den Abschluss der damit verbundenen Sanierung. »Zehn Jahre Rot-Rot haben eben ihre Spuren hinterlassen«, sagt Görke. Eigentlich wollte er am Dienstag nach Neustadt (Dosse) kommen. Schulleiter Ronald Roggelin begrüßt den Ex-Finanzminister deshalb von der Bühne herunter, ohne ihn in der Menge zu sehen. Kann er auch gar nicht. Denn Görke kam kurzfristig etwas dazwischen. Er ist nicht da.
Die Idee der Gemeinschaftsschule würdigt stattdessen Bildungsminister Freiberg, der erst 2022 in die brandenburgische Politik einstieg, in der die Gemeinschaftsschule nicht mehr den Stellenwert genießt, der ihr unter Rot-Rot zugebilligt wurde. Freiberg versichert dennoch, das gemeinsame Lernen habe in Brandenburg »einen hohen Stellenwert«. Er lobt das außergewöhnliche Profil der Bildungsstätte, die in Zusammenarbeit mit dem hiesigen Haupt- und Landgestüt über eine Spezialklasse Reiten verfügt. Das hat Neustadt (Dosse) in der Reitsportszene bundesweit bekannt gemacht. Für Schlagzeilen sorgten im März 2020 frühe Corona-Fälle und die Vorstellung, die Stadt werde abgeriegelt[2], wozu es aber nicht kam. Die Pandemie behinderte auch die Bauarbeiten. In der Zwischenzeit wichen die 730 Schüler und 70 Lehrer für den Unterricht in zwei Container sowie in Räume des Gestüts und des Landesumweltamts aus.
»Kinder und Jugendliche brauchen gute Rahmenbedingungen in ihren Schulen. Das gilt in besonderem Maße für das gemeinsame Lernen, das Kindern und Jugendlichen Chancengleichheit in der Bildung ermöglicht«, sagt Freiberg. »Das Land Brandenburg fördert das gemeinsame Lernen an Schulen und baut es auch weiterhin aus.« Das muss er allerdings noch dem ins Gymnasium vernarrten Koalitionspartner CDU erklären und auch dem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD), der wegen der herrschenden Reformmüdigkeit noch nie sonderlichen Elan zeigte, das gegliederte Schulsystem abzuschaffen.
Es ist schon bezeichnend, dass sich in Neustadt eine Gesamtschule mit einer Grundschule zusammengetan hat und nicht etwa ein Gymnasium. Früher habe es durchgeregnet, jetzt stehe hier ein »Schmuckstück«, berichtet Schulleiter Roggelin. »Die Verhältnisse des Lernens und des Arbeitens haben sich deutlich verbessert, auch wenn nicht alle Wünsche für das Geld erfüllt werden konnten.«
Landrat Ralf Reinhardt (SPD) würde sich wünschen, dass Schulen überall so Priorität genießen wie in Neustadt. Der Kreis Ostprignitz-Ruppin soll künftig die Trägerschaft der Homburg-Schule übernehmen. »Wir sind auf einem guten Weg«, versichert Reinhardt. »Der Landkreis wird alles Erdenkliche tun.«
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174665.bildung-ein-schmuckstueck-fuer-alle.html