Die Verfilmung von Klassikern der Science-Fiction- und Fantasy-Literatur ist nicht ganz risikofrei. Entweder sind Fans, die als mögliches Publikum adressiert werden, enttäuscht von der Umsetzung wie nicht wenige bei der HBO-Serienadaption von Philipp Pullmanns Buchreihe »Dark Materials«. Oder die filmische Umsetzung bleibt ganz stur und altbacken am Original und einer Vorgänger-Verfilmung wie etwa Denis Villeneuves von der Kritik nicht ganz zu Recht hochgejubelter Blockbuster »Dune«.
Wie sich aus einem literarischen Stoff mit genug Dreistigkeit auch deutlich mehr machen lässt, zeigt die Serie »Foundation«[1], die nun in die zweite Staffel geht und dabei das Erzähltempo noch einmal deutlich anzieht. Schon in der ersten Staffel entfernte sich die Serienadaption sehr weit von Isaac Asimovs Original-Trilogie aus den 40er und 50er Jahren, die zu den meistgelesenen Science-Fiction-Romanen des 20. Jahrhunderts gehört. Nicht nur, dass einige männliche Figuren der Romanvorlage, in der kaum Frauen vorkommen, nun weiblich sind. Die Serie bedient sich recht frei im opulenten »Foundation«-Universum, das neben der Original-Romanreihe aus zahlreichen weiteren Büchern und Erzählungen besteht und macht daraus eine ganz eigene und vor allem überzeugende Geschichte.
In der zweiten Staffel, die über 100 Jahre nach der ersten angesiedelt ist, treffen wir wieder auf verschiedene, unter anderem aus dem Kryoschlaf erwachte oder im digitalen Upload rekonstruierte Personen, so der Mathematiker und Psychohistoriker Hari Seldon (Jared Harris) und die junge Gaal Dornick (Lou Llobel), die in der Literaturvorlage ein Mann ist und im Grunde nur eine Nebenrolle spielt, hier aber als Hauptperson im Zentrum der Erzählung steht.
Die titelgebende »Foundation« ist mittlerweile keine Wissenschaftsgemeinde mehr, die an der Peripherie des bekannten galaktischen Imperiums ums Überleben kämpft, sondern eine hochtechnologisierte, aufstrebende politische Macht, die sogar über eine eigene Religion verfügt, mit deren Hilfe Einfluss auf benachbarte Gesellschaften genommen wird. Sollte ursprünglich diese als gigantische Bibliothek des Wissens angelegte Kolonie den drohenden Untergang und Wissensverlust des Riesenimperiums verhindern, tritt die »Foundation« nun in direkte Konkurrenz zur imperialen Ordnung, die wiederum brutal ihre Ansprüche durchsetzt. Die Abspaltung führt zur offenen militärischen Auseinandersetzung.
»Foundation« erinnert nicht ganz zu Unrecht an »Star Wars«, ist doch davon auszugehen, dass George Lucas’ Imperium maßgeblich von Asimovs »Foundation«-Trilogie inspiriert wurde. Nur hat die »Foundation«-Erzählung in der Serienadaption deutlich mehr Tiefe und verhält sich zu »Star Wars« in etwa wie Shakespeare zu einer öden Telenovela.
Die politischen Ränkespiele am imperialen Hof mit Lee Pace als rücksichtslosem Herrscher Cleon aus einer Klon-Dynastie, sekundiert von der jahrhundertealten Cyborg Eto Demerzel (Laura Birn), die die imperialen Fäden zieht, und die angestrebte Ehe mit Königin Sareth (Ella-Rae Smith), deren Familie wegen der Erbfolge brutal ermordet wurde, lassen an »Game of Thrones« denken. Die Darstellung der Raumfahrt und der Kampf gegen autoritäre politische Mächte erinnern wiederum an »Expanse«; die Gigantomanie von Raumschiffen und künstlichen Planetenringen findet sich ähnlich in »Jupiter Ascending«, und der ganovenartige Hober Mallow (Dimitri Leonidas) dürfte viele an Han Solo denken lassen.
Das mag auch damit zusammenhängen, dass Asimovs Romane Vorlage und Inspirationsquelle unzähliger heutiger Weltraumsagas sind. Dabei entwickelt die Serie »Foundation« gerade in der zweiten Staffel eine ganz eigene und beeindruckende Bildästhetik. Charaktere dürfen ausgiebig ihre inneren und äußeren Konflikte ausleben.
Diese Weltraum-Saga passt durchaus in unsere Zeit, geht es doch um die Fragen, ob sich Krisen mathematisch vorhersagen lassen, wie mit einem solchen Wissen umzugehen ist und wie große Imperien untergehen. Das erzählt »Foundation« mit steigender Spannung und einer Geschichte, die weiter zu verfolgen sich lohnen dürfte, weil die Macher sich die Freiheit nehmen, mithilfe der literarischen Vorlage etwas Eigenständiges zu entwickeln. Diese Dreistigkeit würde auch der einen oder anderen filmischen Umsetzung fantastischer Klassiker guttun.
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