Bisher war die Lage klar: Kam der Zug eine Stunde zu spät, gab es 25 Prozent des Ticketpreises zurück, waren es zwei Stunden, wurde der Preis halbiert. Grundsätzlich bleiben diese Vorgaben bestehen, jedoch gibt es dabei neuerdings Einschränkungen.
Keine Rückerstattung bei Extremwetter: Liegen »außergewöhnliche Umstände vor«, so sind die Eisenbahnunternehmen[1] laut Artikel 19 der Verordnung nicht mehr zur Zahlung verpflichtet. Zu den »außergewöhnlichen Umständen« zählen laut neuer EU-Verordnung extreme Witterungsbedingungen, große Naturkatastrophen, schwere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit oder Terrorismus. Auch bei »Verschulden eines Fahrgastes« fällt die Erstattung weg oder wenn Menschen das Gleis betreten, Kabel gestohlen werden oder es einen Notfall im Zug gibt.
»Die Vorgaben zur höheren Gewalt sind zu unpräzise formuliert«, kritisiert Gregor Kolbe vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Er geht davon aus, dass künftig Gerichte entscheiden werden, wann es sich etwa um außergewöhnliche Wetterlagen handelt.
Nach Angaben der Bahn werden Kunden bei Verspätungen durch Unwetter wie Stürme oder Hochwasser auch in Zukunft entschädigt. Bei Ereignissen wie beispielsweise der Jahrhundertflut im Ahrtal 2021 falle der gesetzliche Anspruch zwar weg, die Bahn wolle sich aber jeden Einzelfall anschauen und den Fahrgästen gegebenenfalls mit Gutscheinen entgegenkommen.
Anders sieht es bei Kabeldiebstahl oder Polizeieinsätzen am Gleis aus. Hier zahlt die Bahn bei Zugverspätungen künftig keine Entschädigung mehr. Unberührt bleibt das Vorgehen im Streikfall. Hier wird die Bahn weiterhin entschädigen.
Streitfall in der Nacht: Taxi statt Bahn: Hier ist die in Deutschland geltende Eisenbahn-Verkehrsordnung kundenfreundlicher als die EU-Verordnung, erklären die Verbraucherschützer des vzbv. Liegt die planmäßige Ankunftszeit zwischen null Uhr und fünf Uhr und ist eine Verspätung von 60 Minuten absehbar, können Fahrgäste mit dem Taxi ans Ziel fahren.
Fahrradplätze und Barrierefreiheit: »Die EU-Novelle sieht mickrige vier Fahrrad-Stellplätze für jeden neuen oder modernisierten Zug vor«, kritisiert Alexander Kaas Elias, Bahnsprecher des ökologischen Verkehrsclubs VCD. Ursprünglich seien vom EU-Parlament acht Plätze gefordert worden. Der VCD fordert weitere Maßnahmen von Bahnunternehmen, um Fahrräder besser zu befördern.
Zudem muss es laut Verordnung an Bahnhöfen zukünftig eine zentrale Anlaufstelle für mobilitätseingeschränkte Menschen geben. Hier soll der Ein- und Ausstieg angemeldet werden können. »Das mag zwar auf den ersten Blick die Bahnfahrt erleichtern, bedeutet aber im Grunde nur, dass nach wie vor an vielen Bahnhöfen kein barrierefreier Ein-, Aus- oder Umstieg ohne Voranmeldung und Hilfsmittel wie Hublifte möglich sein wird«, erklärt der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Spontane Fahrten für in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen bleiben Zukunftsmusik.
Ausnahmen beim Deutschlandticket: Für reguläre Nahverkehrstickets gilt: Wenn der gebuchte Zug sein Ziel nur mit mehr als 20 Minuten Verspätung erreichen sollte, können Fahrgäste einen nicht-reservierungspflichtigen Zug des Fernverkehrs nutzen. Das gilt allerdings nicht für »erheblich ermäßigte« Tickets, worunter auch das Deutschlandticket[2] fällt. »Es ist unverständlich, warum Reisende bei Verspätungen nicht kostenfrei auf höherwertige Züge ausweichen dürfen«, beklagt vzbv-Chefin Ramona Pop. Das schrecke potenzielle Käufer ab und gefährde die Mobilitätswende.
Verkürzte Beschwerdefrist: Derzeit liegt die Frist für Beschwerden nach einem Zugausfall oder einer Verspätung bei einem Jahr nach Ablauf der Gültigkeit des Fahrscheins. Diese Frist wird mit der neuen Verordnung auf drei Monate verkürzt. »Die Deutsche Bahn wird aber im Regelfall sehr kulant sein und weiterhin die fahrgastrechtlichen Beschwerden auch nach Ablauf der 3-Monats-Frist annehmen und bearbeiten«, erklärte die Deutsche Bahn dazu. AFP/nd
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175090.fernverkehr-bahn-fahrgastrechte-werden-eingeschraenkt.html