Der am Freitagnachmittag auf dem Cottbuser Platz am Stadtbrunnen aufgefahrene Panzer ist ungefährlich. Statt mit Soldaten und Munition ist er mit heißer Luft gefüllt und im Kanonenrohr ist ein Knoten. So protestiert die Lausitzer Linke gegen Waffenlieferungen, so feiert sie am Weltfriedenstag ihr Friedensfest.
Der Bundesvorsitzende Martin Schirdewan ist gekommen und hält eine Rede. Er kritisiert den Aufrüstungskurs der Ampel-Koalition, während das Bildungswesen und die Gesundheitsversorgung vernachlässigt würden, weil Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) an der Schuldenbremse festhalte. »Diese Politik muss man vom Kopf auf die Füße stellen«, fordert Schirdewan. Nach eigener Aussage hat er Kanzler Olaf Scholz (SPD) schon persönlich angesprochen, dieser solle sich die Entspannungspolitik von Willy Brandt (SPD) zum Vorbild nehmen.
Schirdewan warnt, Krieg sei nicht die Ultima Ratio der Politik, also das letzte Mittel, sondern die Ultima Irratio – irrational, unvernünftig, unfassbar. Als EU-Abgeordneter seiner Partei hat Schirdewan auch ein Beispiel für widersinnige Geldverschwendung auf europäischer Ebene: Die EU wolle Rüstungskonzernen 500 Millionen Euro »in den Rachen werfen« und verkaufe dies als Wirtschaftsförderung. Dabei fahre die Rüstungsindustrie satte Gewinne ein. Ihr müsste eine Übergewinnsteuer abverlangt werden, fordert der Politiker.
Auch der Linke-Landesvorsitzende Sebastian Walter nimmt in Cottbus die Rüstungsindustrie aufs Korn – und den Landesvater Dietmar Woidke (SPD), der bedauerte, dass der Waffenhersteller Rheinmetall seine neue Fabrik für Kampfflugzeugteile nun am Niederrhein baut. »Der Ministerpräsident war sehr traurig, dass Rheinmetall nicht nach Brandenburg kommt. Ich war sehr froh«, sagt Walter. Denn der Glaube, jeder Arbeitsplatz sei gut, sei falsch. Bei einer Rüstungsfabrik leben Menschen davon, dass dann Menschen sterben, erinnert Walter.[1] Er möchte genau aufpassen, dass nach der Absage von Rheinmetall nicht doch ein anderer Waffenhersteller ins Bundesland kommt. Am Weltfriedenstag appelliert er: »Die Waffen müssen schweigen!«
Durch den Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Teuerung in Deutschland vergrößert sich die Ungerechtigkeit im Bildungssystem weiter. [2]Das versuchen die Cottbuser Genossen mit Solidarität zu bekämpfen. Sie haben 650 Euro gespendet und davon Schulmaterial wie Hefte, Stifte und Füllfederhalter gekauft. Die werden jetzt auf dem Friedensfest verteilt. »Einen schönen Füller können sich nicht mehr alle Eltern leisten«, bedauert die Landtagsabgeordnete Kathrin Dannenberg (Linke). Von Beruf Lehrerin, weiß sie, was an einem schlecht funktionierenden Billigfabrikat stört: »Lernen soll Spaß machen. Mit einem schönen Füller schreibt man umso schöner.«
Musiker Henry singt Friedenslieder unter anderem von Reinhard Mey und Hannes Wader und bekommt viel Applaus. Viele Mädchen und ein Junge des Kinder- und Jugendensembles »Pfiffikus« begeistern mit Tanz und Artistik. Der Kleine Buchladen aus dem Berliner Karl-Liebknecht-Haus ist mit einer Auswahl seines Angebots politischer Literatur beim Friedensfest vertreten, ebenso die Tageszeitung »nd«. Der Linke-Kreisvorsitzende Christopher Neumann wirbt für die Unterstützung der nd.Genossenschaft. Vorstandsmitglied Ulrike Kumpe gewinnt am nd-Stand tatsächlich zwei neue Genossenschaftsmitglieder. Erst spät am Freitagabend zurück in Berlin, ist sie am Samstag gleich wieder auf den Beinen. Bei der Demonstration gegen die Stadtautobahn A100 wird Kumpe die mitgebrachten Zeitungen schnell los und muss sich noch Nachschub heranschaffen lassen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176008.friedenspolitik-cottbus-ein-knoten-im-kanonenrohr.html