Immer mehr Nachwuchswissenschaftler wehren sich gegen ihre Ausbeutung[1] als Lehrende und Wasserträger für Professoren bei gleichzeitig fehlender Perspektive an ihrer Hochschule. Unter den Stichworten wie »Ich bin Hannah« oder »Frist ist Frust« berichteten sie in den vergangenen Jahren von ihrem von Überlastung und dem Hangeln von Zeitvertrag zu Zeitvertrag geprägten Alltag.
Grundlage für solche Verträge ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz[2] (WissZeitVG) – das nach zwei Reformen dem von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) seit über einem Jahrzehnt beklagten »Befristungsunwesen« an deutschen Hochschulen einen Riegel vorschieben sollte. Doch real ist diesbezüglich wenig passiert, auch weil die Hochschulen weiter Pseudo-Qualifizierungsziele als Grund für befristete Beschäftigungen angeben können.
Deshalb haben die GEW und weitere Organisationen am Mittwoch eine Petition [3]für eine »echte Reform« des Gesetzes auf den Weg gebracht. Denn, so Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender und Hochschulexperte der GEW: »Fast neun von zehn wissenschaftlichen Angestellten an Universitäten sind befristet beschäftigt, 42 Prozent der Arbeitsverträge haben eine Laufzeit von weniger als einem Jahr.« Das sei »nicht nur unfair gegenüber den hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sondern gefährdet auch die Qualität von Forschung und Lehre«.
Die Kernforderung lautet, dass die sogenannte Qualifizierungsphase mit der Promotion abgeschlossen sein muss und dass danach »Dauerstellen für Daueraufgaben in Lehre und Forschung« die Norm sein müssen.
Keller betont, das müsste auch im Interesse der Hochschulen und der Politik sein. Denn die Bundesrepublik brauche eine »starke Wissenschaft«, um »die sozialen und technologischen Herausforderungen von Klimakrise oder Digitalisierung zu meistern«. Mit »prekären Arbeitsbedingungen« gehe das nicht. Denn die hätten zur Folge, dass immer mehr Wissenschaftler ins Ausland oder in andere Branchen abwanderten.
Die Petition enthält sechs Forderungen an die Abgeordneten des Bundestags. Neben festen Verträgen nach der Promotion wird verlangt, dass die Promotionsphase eine Laufzeit »von in der Regel sechs, mindestens aber vier Jahren« haben müsse. Nur in dieser Zeit solle es Befristungen geben. Danach müssten »Dauerstellen oder Entfristungszusagen angeboten werden«. Für studentische Beschäftigte müsse eine Regelvertragslaufzeit von zwei Jahren gelten. Und: Wer Kinder betreue, Angehörige pflege oder selbst behindert oder chronisch krank sei, solle einen Rechtsanspruch auf Nachteilsausgleich erhalten. Damit Gewerkschaften und Hochschulen vom Gesetz abweichende Tarifverträge zur Befristung aushandeln könnten, müsse zudem die sogenannte Tarifsperre aus dem Gesetz gestrichen werden.
Zwar hat das von Bettina Stark-Watzinger (FDP) geführte Ministerium für Bildung und Forschung im Juni den von der Regierung versprochenen Entwurf für eine weitere Reform[4] des Gesetzes bereits vorgelegt. Dabei handle es sich aber eher um eine »kosmetische Reparaturnovelle«, meint GEW-Vize Keller.