Es war schlimm, es war toll. Und jetzt wissen die Teenager von heute schon gar nicht mehr, was das sein soll: Musikfernsehen. Vor 30 Jahren nahm Viva den Sendebetrieb auf, MTV gab es schon. Viva ist die Abkürzung für Videoverwertungsanstalt. »Plötzlich stand das Musikvideo im Mittelpunkt aller Maßnahmen. Hitsingle oder kommerzieller Flop, Rockstar oder Nobody?« erinnern sich Markus Kavka[1] und Elmar Giglinger im Vorwort zu ihrem Jubiläumsbuch »MTViva liebt dich!«
Geld war kein Problem, für manche Videos haute die Musikindustrie Millionen raus – und die Beschäftigten freuten sich über ein Honorar, das ungefähr dem Lohn einer heutigen nd-Redakteur*in entspricht. Also, in der Altenpflege wird mittlerweile mehr verdient.
Doch die damaligen Moderator*innen waren sehr jung und durften so ziemlich machen, was sie wollten. Für sie war Arbeit und Freizeit eins, manche wohnten regelrecht im Sender, dauerbegeistert und drogenverstärkt. Keine Firma kann sich bessere Mitarbeitende wünschen. Die Musikindustrie musste kaum Einfluss nehmen, die machten alles von allein, weil sie meinten, es ist cool. Das ist natürlich auch lustig, wie eine gute Party in der Küche. Und so ist auch dieses Buch im Oralhistory-Sti[2]l, wenngleich die Komposition der redenden Personen nicht ganz so schnell geschnitten ist wie es die Videos waren, die damals eine neue TV-Ästhetik etablierten. Manche sind immer noch am Start: Klaas Heufer-Umlauf, Heike Makatsch[3], Matthias Opdenhövel oder Christian Ulmen.
In der allerersten Sendung sagte Makatsch: »Ich bin die Heike, und wir sind Viva. Wir sind euer Sprachrohr und ab heute bleiben wir für immer zusammen«. Stimmte so lange, bis der alte Spruch von Tocotronic wahr wurde: »Digital ist besser«. Doch auch diese Band freute sich, als sie ihr Video zum ersten Mal im Fernsehen sah. Anfang der Zehnerjahre aber schaute keiner mehr hin. 2018 wurde Viva ausgeknipst. MTV gibt es noch. Aber weiß das jemand?
Markus Kavka / Elmar Giglinger: MTViva liebt dich!: Die elektrisierende Geschichte des deutschen Musikfernsehens. Ullstein, 528 S., br., 21,99 €.