Rumgekommen ist er, zu Fuß, mit dem Rad, kein Kontinent war vor ihm sicher: Der Reiseschriftsteller Sylvain Tesson, Spross einer angesehenen Pariser Familie, ist Bestseller-Autor. Titel: »Kurzer Bericht über die Unermesslichkeit der Welt« oder »Napoleon[1] und ich« – drunter macht er’s nicht. In Zeiten, wo Menschen den Kopf im Bildschirm haben, sucht er das Weite, die Erfahrung des Erhabenen. Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass der Götterliebling das renommierte Literaturfestival »Le printemps des poètes« (kitschig: »Dichterfrühling«) als Schirmherr leiten soll. Dann zog ein Shitstorm auf: Tesson sei eine »reaktionäre Ikone«[2], heißt es in einem offenen Brief in der Tageszeitung »Libération«, 1200 mal wurde er unterzeichnet. Im Wesentlichen geht es um seine Verbindung zu Jean Raspail, der sich als ultrakatholischer Royalist begriff und mit »Das Heerlager der Heiligen« 1973 ein für die Neue Rechte wichtiges Buch schrieb: In dem Roman lassen Geflüchtete das Abendland untergehen.
Nun verfasste Tesson 2015 zwar nicht für dieses Machwerk ein Vorwort, sondern für einen Band Reiseromane; wie Raspail tickte und wen er »inspirierte« war aber längst bekannt. Sonntag meldete sich Tesson zu Wort: »Ich bin gerne rückwärtsgewandt, aber meine Kritiker haben ein Wort gefunden, das ein Wort des absoluten Konformismus ist: Rechtsextremismus.« Geholfen wird diesem selbsternannten Unangepassten von ganz oben: Wirtschaftsminister Le Maire nimmt Tesson in Schutz; Kulturministerin Dati ebenfalls. Interessant: Der Festivalleitung wurde »traumatisierendes Managment« vorgeworfen. Zum Besseren wird sich mit Tesson sicher nichts ändern. Der ist mit sich selbst und dem hehren, leeren Wort beschäftigt.