Geht es nach Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), gibt es in Berlin bald einen Landes- und Vergabemindestlohn[1] von 13,62 Euro. Nach einem Antrag der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus soll dieser zunächst mittels Rechtsverordnung von den aktuell geltenden 13 Euro hochgesetzt werden; in einem nächsten Schritt sollen die Verrechnung von Zulagen sowie die Berechnungsgrundlage für zukünftige Erhöhungen angepasst werden. Die Linke fordert dagegen einen Landesmindestlohn von 14 Euro[2] und den direkten Weg über eine Gesetzesänderung. Die geplanten Schritte wurden am Donnerstag im Arbeitsausschuss des Abgeordnetenhauses diskutiert.
Der Landes- und Vergabemindestlohn gilt überall dort, wo das Land Berlin finanziell beteiligt ist oder Einflussmöglichkeiten hat. Das heißt: für alle Beschäftigten des Landes sowie bei Beteiligungsunternehmen oder Zuwendungsempfängern. Der Landesmindestlohn wurde 2013 eingeführt und zuletzt von Rot-Grün-Rot im Jahr 2022 von 12,50 auf 13 Euro erhöht.
»Wir schöpfen dafür den Rechtsrahmen, den uns das Berliner Landesmindestlohngesetz gibt, voll aus«, sagt Kiziltepe. Die 62 Cent Erhöhung sind über eine Rechtsverordnung möglich, da im Landesmindestlohngesetz eine Anpassung bei »veränderten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen« vorgesehen ist. Die Höhe der Anpassung muss sich nach der prozentualen Veränderung des Tarifindex von Deutschland der letzten vier Quartale richten. Per Verordnung kann die Erhöhung schneller durchgesetzt werden, als wenn ein Gesetz erst das Parlament passieren muss. »In einem zweiten Schritt werden wir über eine Gesetzesänderung die Zulagen nicht mehr in die Berechnung des Mindestlohnes einbeziehen«, so Kiziltepe. Aktuell reicht es, wenn die 13 Euro inklusive etwaiger Nacht-, Feiertags- oder Gefahrenzulagen erreicht werden.
Mittels Gesetzesänderung sollen sich künftige Veränderungen des Landesmindestlohns nach »den prozentualen Steigerungsempfehlungen der Bundesmindestlohnkommission« richten, so der Antrag.
Damiano Valgolio, Sprecher für Arbeitsmarktpolitik der Linksfraktion, fordert dagegen einen Landesmindestlohn von 14 Euro: »Wir haben eine galoppierende Inflation, die 48 Cent mehr sind für die Leute, die es betrifft, eine ganze Menge.« Jetzt nur auf Basis der Indexveränderung der Tariflöhne anzupassen, sei ein Trugschluss: »Ein großer Teil der Einkommenserhöhungen ist nicht über Tabellen, sondern über Inflationsausgleichsprämien erfolgt, die nicht in den Index eingehen«, sagt Valgolio.
Auch eine Orientierung an der Kommission hält er nicht für nicht sinnvoller als am Tarifindex; der Landesmindestlohn sei überhaupt erst eingeführt worden, da es auf Bundesebene nicht reicht: »Ein Widerspruch in sich.« Der Sprecher für Arbeitsmarktpolitik der Grünen, Christoph Wapler, sieht gar die Vorreiterrolle Berlins in Gefahr.
Valgolio weist auf die EU-Mindestlohnrichtlinie hin, die spätestens in neun Monaten umgesetzt sein muss. Demnach muss der Mindestlohn mindestens 60 Prozent des Median-Einkommens der Mitgliedstaaten betragen. Laut Valgolio wäre dies mit 14 Euro erreicht, nach aktuellen Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes würden schon 13,53 Euro reichen.