Das Werkstor bleibt zu. Als die Beschäftigten der Recyclingfirma SRW Metalfloat[1] im sächsischen Espenhain am Montagfrüh zur Arbeit kamen, wurden sie von Sicherheitskräften am Betreten des Werksgeländes gehindert, und ihre elektronischen Zugangskarten funktionierten nicht. Auf einem Ausgang am Zaun wurde ihnen mitgeteilt, dass sie ausgesperrt seien. Er verhänge gleichzeitig ein »Hausverbot für das gesamte Betriebsgelände«, erklärte Geschäftsführer Thomas Müller. Die Maßnahme sei bis Ende Mai befristet.
Damit eskaliert ein Arbeitskampf, der in der Bundesrepublik schon jetzt seinesgleichen sucht[2], auf dramatische Weise. Am 24. Mai wären es 200 Tage, seit die Beschäftigten des Werks im Streik sind. Einen so langen Ausstand hat es in der Geschichte der IG Metall noch nicht gegeben. Vergangene Woche hatten die Streikenden beschlossen, den Arbeitskampf vorübergehend auszusetzen. Damit gehe man einen »gewaltigen Schritt« auf den Arbeitgeber zu, erklärte Michael Hecker, der Verhandlungsführer der IG Metall. Er forderte zugleich zu Gesprächen in der festgefahrenen Auseinandersetzung auf, »gegebenenfalls mit externer Moderation«.
Das Management erwiderte das Angebot zur Güte mit einem drakonischen Mittel: der Aussperrung. Damit wird Arbeitnehmern verboten, zur Arbeit zu kommen. Das soll für Gewerkschaft die Kosten des Streiks erhöhen[3]. Im konkreten Fall begründet das SRW-Management den Schritt damit, dass der Streik formal nicht beendet worden sei. Zudem sei es kurzfristig nicht möglich, »so viele Arbeitnehmer wieder in den Betrieb zu integrieren«. Steffen Reißig, der Leipziger IG Metall-Chef, sprach mit Blick auf die Aussperrung von einem Arbeitgeber, der sich aufführe, »als sei er im 19. Jahrhundert stecken geblieben«. DGB-Landeschef Markus Schlimbach zeigte sich »schockiert« und erklärte, Aussperrungen habe es in Deutschland »seit 40 Jahren nicht mehr gegeben«. Der Schritt zeige, dass der Arbeitgeber in Espenhain die »Gepflogenheiten konstruktiver Tarifauseinandersetzungen ignoriert«.
Der sächsische Betrieb war ursprünglich Teil des baden-württembergischen Familienunternehmens Scholz Recycling. Das wurde von seinen Eigentümern 2016 nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten an den zuvor härtesten Rivalen Chiho verkauft, einen chinesischen Konzern, der nach eigenen Angaben das weltweit größte börsennotierte Unternehmen der Recyclingbranche ist. SPD-Landeschef Henning Homann erklärte, das Vorgehen der Geschäftsführung sei »ein alarmierendes Beispiel dafür, wie chinesische Unternehmen hier agieren«.
Hauptziel des Arbeitskampfes in Espenhain ist eine anständige Entlohnung der rund 180 Beschäftigten. Diese werden für körperlich harte Arbeit in drei Schichten mit höchstens 2000 Euro abgespeist, womit sie nur knapp über dem Mindestlohn und 600 Euro unter dem Branchentarif liegen. Sie haben auch viel weniger in der Lohntüte als Kollegen in Baden-Württemberg. Der Streik fand breite Unterstützung in Politik und Gewerkschaften. Eine Einigung ist aber bisher nicht in Sicht. Nach der jüngsten Eskalation erklärte DGB-Landeschef Schlimbach, die »gesamte Gewerkschaftsbewegung in Sachsen« stehe »solidarisch an der Seite der Beschäftigten«. Er rief dazu auf, die Aussperrung sofort zu beenden. Notwendig seien jetzt Verhandlungen auf Augenhöhe. Auch Linken-Landeschef Stefan Hartmann drängte angesichts der »neuen Eskalationsstufe« auf eine Einigung: »Die Beschäftigten haben das Recht auf einen Tarifvertrag.«