Es war ein Statement der Überforderung. »Ich biete jedem an, der das Gelände übernehmen möchte, es geschenkt vom Land Berlin zu übernehmen«, sagte Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) kürzlich im Abgeordnetenhaus. Gemeint war das Areal am Bogensee, die ehemalige Villa des NS-Propagandisten Joseph Goebbels, das seit den 2000er zunehmend verfällt.
Immer wieder wird darüber diskutiert, eine Zukunftsperspektive für das 17 Hektar große Gelände zu entwickeln, dessen Instandhaltung das Land Berlin viel Geld kostet[1]. »Noch mehr verlorene Jahre kann die Stadt sich buchstäblich nicht leisten. Ich kann niemandem erklären, Millionen in den Erhalt und die Sicherung einer Fläche zu stecken, von der die Berlinerinnen und Berliner keinerlei Nutzen haben«, begründete Evers seinen Vorschlag.
Die Empörung folgte zugleich. Der Bürgermeister von Wandlitz, Oliver Borchert (Freie Bürgergemeinschaft Wandlitz), kritisierte, dass bei einem Verkauf Rechte zum Zuge kommen könnten[2]. »Was ich nicht gerne sehen würde, dass das Land Berlin das Areal an irgendeinen Privaten verschenkt, der dann ideologische Ziele mit der Liegenschaft verfolgt«, sagte er.
Die Gemeinde habe nun auch einen Antrag auf Fördergelder gestellt und will das Gelände entwickeln. Mögliche Nutzungen für das Gelände seien etwa ein »Zentrum für Resilienzforschung für die Demokratie«, ein Campus, eine Reha-Klinik, ein Hotel oder eine Bundesbehörde.
Auch der Vorsitzende des Verbands Europäische Juden (EJA), Rabbi Menachem Margolin, kritisierte die Privatisierungspläne. Er schlug für den historisch bedeutenden Standort ein Zentrum zur Bekämpfung von Hassreden vor, das der EJA zusammen mit dem Land Berlin entwickeln könne.
»Ich bin froh, dass sich der Verband europäischer Juden in die Debatte einmischt und klarstellt, dass dieser Gedenkort erhalten werden muss«, sagt Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Sie sei in großer Sorge um die Immobilien des Landes Berlin, wenn der Finanzsenator erkläre, historische Liegenschaften mit Denkmalwert zu verschenken. »Nicht nur ich frage mich, ob der Finanzsenator noch alle Tassen im Tresor hat«, so Gennburg.
Verwaltet wird Bogensee von der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), dem landeseigenen Gebäudedienstleister. Jährlich fließen 250 000 Euro in den Unterhalt. 45 Millionen Euro würde ein Abriss kosten. Das Land hatte deshalb zuletzt auch die Renaturierung des Geländes bevorzugt. Denn: Eine Instandsetzung in Höhe von 350 Millionen Euro wäre vergleichsweise teuer.
Für Gennburg zeige sich, dass die landeseigene Liegenschaftsgesellschaft BIM ihren Aufgaben »nicht gewachsen ist oder diese vorsätzlich nicht erfüllt«. »Während die Stadt immer mehr Arbeitsräume für Kunst und Kultur verliert, wartet die BIM offenbar nur auf die richtige politische Konstellation mit Baufilz, CDU und SPD, um die Immobilien wieder zu verscherbeln oder gar zu verschenken«, sagt sie.
Dabei ist Bogensee nur die Spitze des Eisbergs eines generellen Problems. Berlin muss Milliarden in die Sanierung des Gebäudebestands investieren. Wie die »nd« vorliegende, bisher unveröffentlichte Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Gennburg zeigt, kommt die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmBH (BIM) mit dem Sanieren der Landesgebäude nicht hinterher.
So stehen der BIM für den Bauunterhalt im Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin, worunter unter anderem Gerichts-, Schul- und Feuerwehrgebäude fallen, 205 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. An erster Stelle wird das für den Abbau der notwendigen Arbeiten der Prioriät 1 verwendet, also für dringliche Maßnahmen, die sichern, dass das Gebäude überhaupt weiterverwendet werden kann. Allein hier gibt es einen Instandhaltungsrückstau von über 800 Millionen Euro.
Die BIM gibt aber an, dass teilweise Maßnahmen aus der ersten Priorität wie eine Strangsanierung nur umgesetzt werden können, wenn zuvor erst Maßnahmen behoben werden, die in die weniger dringlichen Prioritäten 2 und 3 eingeordnet worden sind. Hier, wo es um die Umsetzung von gesetzlichen Vorschriften und den Funktionserhalt der Gebäude geht, klafft zusammen ein Sanierungsrückstau von über drei Milliarden Euro. »Ein vollständiger Abbau des Sanierungsbedarfs ist systematisch nicht möglich, da der Sanierungsbedarf laufend fortgeschrieben wird und so ständig neue Maßnahmen aufgenommen werden«, heißt es in der Antwort auf Gennburgs Anfrage.
Hinzu kommt, dass das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm weitere 2,6 Milliarden Euro an Investitionen vorsieht. Diese Maßnahmen aus dem Sanierungsfahrplan Klimaneutrale Stadt 2045 müssen eigentlich auch aus den jährlichen 205 Millionen Euro finanziert werden.
Ob beim Areal am Bogensee oder innerstädtischen Gebäuden des Landes: Die Gebäude müssten mit Leben gefüllt werden im Sinne von sozialen und nachhaltigen Nutzungen, meint die Linke-Politikerin. Es sei eine politische Entscheidung, »ob die BIM weiterhin die Goldschatulle des Landes sein soll, die Politik für Bonzen und nicht für Bürger macht, anstatt die Stadt für Alltagsnutzungen und Lebenswertes zurückzugeben«, sagt Gennburg.