Die anhaltende Isolationshaft Abdullah Öcalans[1] und die Untätigkeit der europäischen Institutionen stellen heute das größte Hindernis für eine Lösung der kurdischen Frage dar. Gerade angesichts der anstehenden EU-Wahl muss Europa sich fragen, ob wirtschaftliche und politische Interessen schwerer wiegen sollen als die von den politischen Repräsentanten nur zu gerne hochgehaltenen Werte und bestehendes Recht.
Es bedarf keiner sonderlich ausgeprägten juristischen Kenntnisse, um zu verstehen, dass es einen eklatanten Rechtsbruch darstellt, wenn einem Gefangenen jedwede Möglichkeit genommen wird, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Nicht umsonst ist die Isolationshaft international als eine Form der Folter anerkannt. Weder das türkische Recht, noch die Satzung des Europarates, dem auch die Türkei angehört, decken eine solche Behandlung.
Abdullah Öcalan hat seit 1993[2] mehrfach das Gespräch mit der türkischen Regierung gesucht, ein Dutzend, meist einseitiger Waffenstillstände ausgerufen und sich stets für eine politische Lösung der kurdischen Frage eingesetzt. Um dem Blutvergießen in Kurdistan ein Ende zu bereiten und »einen Frieden in Würde« zu erreichen, hat er politische Flexibilität und weitsichtige Gesprächsbereitschaft bewiesen. Es ist die Regierung Erdoğan, die im Interesse des eigenen Machterhalts an der »militärischen Lösung« festhält und mit Kriegsrhetorik versucht, jeden Widerspruch im eigenen Land zu unterdrücken.
Auch heute, fast neun Jahre nachdem die türkische Regierung dem Friedensprozess mit der PKK[3] ein abruptes Ende bereitet hat und die Fronten verhärteter sind als jemals zuvor, ist klar, wer allein auf kurdischer Seite als Verhandlungsführer akzeptiert werden würde: Abdullah Öcalan. Der Weg zu einer Lösung der kurdischen Frage führt durch die Tore des İmralı-Gefängnisses.
Sollte man in Europa ein ernsthaftes Interesse an einer friedlichen Beilegung des blutigen Konfliktes[4] und damit einer wahrhaften Demokratisierung der Türkei haben, wird es Zeit, diese Realität anzuerkennen.