Es ist ein kalter und verregneter Tag in der belgischen Hauptstadt Brüssel, als die Fraktionsvorsitzende der sozialistischen Partei der Arbeit (PTB)[1], Sofie Merckx, die Bühne betritt. Pflegearbeiterinnen streiken gerade für höhere Löhne und Entlastung. Während die Demonstration vorbeizieht, beginnt Merckx ihre Rede, geißelt mit scharfer Zunge den desolaten Zustand des Gesundheitswesens in Belgien und die Ungerechtigkeit der Klassengesellschaft. Die Menge jubelt.
Nicht nur, dass die im Jahr 1974 geborene Marxistin rhetorisch versiert ist und ihre sympathische Art sofort ansteckend wirkt. Sie weiß genau, wovon sie spricht. Nach ihrem Medizinstudium ließ sie sich als Hausärztin in Marcinelle nieder, einem Vorort der wallonischen Arbeiterinnenstadt Charleroi. Ganz bewusst steht sie in direktem Kontakt mit den Menschen und ihren alltäglichen Nöten. Als Sprecherin von »Medizin für das Volk« setzt sie sich für eine universelle und sozial gerechte Gesundheitsversorgung ein. Die Initiative war in den 70er Jahren von ihrem Vater, Kris Merckx, mitbegründet worden und versorgt heute jährlich rund 25 000 Patientinnen.
Und obwohl sie fest im Politikbetrieb verankert ist: Merckx wirkt kein Stück abgehoben. Das mag auch daran liegen, dass die Mutter von drei Kindern, wie alle Hauptamtlichen und Abgeordneten der PTB, einen großen Teil ihrer Einkünfte an die Partei abtritt. Wer Ämter bekleidet, soll sich nicht bereichern können, unterstrich sie nach der Demonstration im Gespräch in ihrem Abgeordnetenbüro. So soll verhindert werden, dass sich die Funktionäre in die Brüsseler Blase zurückziehen. Das scheint zu funktionieren und so trotzt die sozialistische Partei dem europäischen Rechtsruck[2].