»Die Menschen machen sich zunehmend Sorgen um ihren Lebensstandard«, sagte IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner zur Veröffentlichung der Forderungsempfehlung für die anstehende Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie[1]. Die Gewerkschaft fordert daher ein Gehaltsplus von sieben Prozent, 170 Euro mehr Geld für Auszubildende und eine soziale Komponente für die unteren Lohngruppen, die Benner am Montag allerdings noch nicht konkretisieren wollte. Darüber hinaus will die IG Metall mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit.
Der Unternehmensverband Gesamtmetall kritisierte die vergleichsweise moderaten Forderungen der Gewerkschaft mit Blick auf die wirtschaftliche Lage. »Die Metall- und Elektroindustrie befindet sich in der Rezession[2]«, erklärte Verbandspräsident Stefan Wolf und warnte vor zu hohen Lohnforderungen. Im Vorfeld hatte der baden-württembergische Verband Gesamtmetall eine Nullrunde in Aussicht gestellt.
Aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass zwar die Umsätze in der Metall- und Elektroindustrie in den letzten Jahren Rekordhöhen erreicht hatten. Zuletzt aber befanden sie sich in einem Abschwung. Zudem ist die Auftragslage rückläufig und die Produktion in der Metall- und Elektroindustrie liegt derzeit unter dem Niveau von vor der Coronakrise.
»Die IG Metall steht vor der Schwierigkeit sehr unterschiedlicher betrieblicher Realitäten«, sagt Thorsten Schulten, Leiter des Tarifarchivs des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts, im Gespräch mit »nd«. Es gebe in der Metallindustrie Bereiche, die unter strukturellem Transformationsdruck stehen. »Dadurch drohen derzeit Arbeitsplatzverluste, was das Forderungsvolumen der Gewerkschaft dämpft«, erklärt der Sozialforscher.
Die IG Metall erkennt die Herausforderungen in der Branche an und fordert von der Bundesregierung umfassende staatliche Investitionen in Höhe von 600 Milliarden Euro bis 2034[3]. »Wir vertreten eine Politik, die auf zwei Beinen steht: Industrie- und Tarifpolitik«, sagte Benner dazu. Aber es sei falsch, den Industriestandort schlechtzureden. Den Vorstoß von Südwestmetall bezeichnete sie als respektlos gegenüber den Beschäftigten. »Unsere Mitglieder halten den Laden am Laufen. Wer eine Nullrunde fordert, heizt unnötig die Stimmung an«, sagte sie.
Die Tarifverhandlungen beginnen im September. Die Friedenspflicht endet am 28. Oktober. In der Branche arbeiten rund 3,9 Millionen Beschäftigte.