»In der föderalen Demokratie stellt Lokaljournalismus die Basisversorgung[1] dar«, sagt Steffen Grimberg. Grimberg ist Vorsitzender des Deutschen Journalisten Verbandes (DJV) Berlin, einer Gewerkschaft für Journalist*innen. Der Medienausschuss hat eine erlesene Auswahl an Medienvertreter*innen ins Abgeordnetenhaus geladen, um sich ein Bild über die Lage und Zukunftsperspektiven des Lokaljournalismus zu machen. Das Lokale spielt sich dabei auf Bezirks- oder noch kleinteiliger auf Kiezebene ab: »Informationen aus dem unmittelbaren Nahbereich« der Nutzer*innen, so die Worte Grimbergs.
»Ich kann mich noch daran erinnern«, sagt die SPD-Abgeordnete Melanie Kühnemann-Grunow, »dass ich früher die Morgenpost abonniert hatte, weil sie diesen dicken Bezirksteil hatte«. Doch die Tage der gedruckten Zeitung sind gezählt. Er mache sich als Gewerkschafter Sorgen[2] um die Titel »Morgenpost« und »Berliner Zeitung«, sagt Grimberg. »Nach der Neustrukturierung des Printmodells steht der »Tagesspiegel« etwas besser dar«, das lasse sich auch dem vernünftigen Tarifvertrag für die Beschäftigten ablesen.
»Tagesspiegel«-Chefredakteur Lorenz Maroldt stellt das Ende der gedruckten Tageszeitung für 2027 in Aussicht. »Wir versuchen das, was an Papier mit relativ hochpreisigen Abos verfällt, mit günstigen Digitalabos zu kompensieren.« Vor zehn Jahren habe der »Tagesspiegel« die ersten, mittlerweile etablierten Bezirksnewsletter ins Leben gerufen. Bis dahin seien alle Versuche über sublokale Formate in Berlin wirtschaftlich gescheitert. Dennoch stünde auch der »Tagesspiegel« vor der Krux, dass die Bezirksnewsletter noch kostenlos verfügbar sind.
Mittlerweile sei die Leserschaft des »Tagesspiegel« zu 80 Prozent überregional, berichtet Maroldt. Grimberg vom DJV Berlin macht hier ein Problem aus: »Im Überregionalen liegt das größte Potenzial für Reichweite und Wachstum, im Lokalen sieht es schwieriger aus.« An der Spree sei dies noch mal besonders ausgeprägt, da das Lokale mit Blick auf die Metropole, den Stadtstaat Berlin unter »ferner liefen« laufe.
Grimberg weist aber auch auf die Eigenverantwortung der Medien hin. Häufig würde am Bedarf der Nutzer*innen vorbei geliefert. Eine Umfrage des Madsack-Konzerns, zu dem unter anderem die »Märkische Allgemeine« gehört, habe ergeben, dass aktive wie potenzielle Abonnent*innen sich mehr magazinartige Formate, mehr Reportagen und weniger klassische Terminberichterstattungen aus den Parlamenten wünschen.
Auf Augenhöhe mit den Nutzer*innen versucht sich auch der RBB[3]. Mit diversen Dialogformaten wolle man weniger über Menschen reden und mehr Kommunikationsräume öffnen, sagt RBB-Chefredakteur David Biesinger.
Die Vielfalt der Gesellschaft lasse sich aber nicht alleine über den lokalen Bezug berücksichtigen. Communities bilden sich auch jenseits regionaler Grenzen, sagt Linke-Politikerin Anne Helm. Das Medienportal »Amal, Berlin«, bietet Lokaljournalismus auf Deutsch, Arabisch, Ukrainisch und Farsi. In Verbindung und Diskussion mit den Nutzer*innen würde die jeweilige Community die Berliner Gesellschaft kennenlernen, sagt Amal-Redakteur Khalid Al Aboud.
Lorenz Maroldt vom »Tagesspiegel« hebt zum Schluss der Debatte noch mal die ökonomische Dimension hervor: »Im Lokaljournalismus müssen Sie raus und mit den Leuten reden, dafür brauchen Sie viele Leute und die müssen Sie bezahlen.« Wenn die Menschen das nicht anerkennen würden, werde sich der Journalismus aus vielen Ecken zurückziehen müssen.