Ballannahme butterweich. Auf dem Weg zum Strafraum noch ein paar Streichler mit dem rechten Fuß, nach innen ziehen, das rechte Toreck anvisieren und draufhalten. Die Kollegen des sehr empfehlenswerten Podcasts von »11Freunde« haben Nico Willams ganz treffend beschrieben: ein filigraner Brecher. Der 21-jährige Flügelstürmer spielte am Donnerstagabend mal wieder seine Gegner schwindlig, diesmal italienische. Dass es beim 1:0-Sieg seiner Spanier nicht zum eigenen Tor reichte, lag nur daran, dass die Gelsenkirchener Latte bei jenem Knaller in der 71. Minute bestimmt ein paar Zentimeter zu tief hing. Zum besten Spieler der Partie wurde er trotzdem gewählt.
Nicht nur aufgrund seiner offensiven Spielweise ist Williams ein Fanliebling nicht nur bei dieser Europameisterschaft[1]. In einer Welt, in der Fußballprofis[2] nur noch Abgehobenheit und Geldgier vorgeworfen werden, ist er die Gegenerzählung: Seine Eltern flohen aus Ghana[3], teils barfuß durch die Sahara. Auch die mit dem älteren Bruder schwangere Mutter kletterte über den Grenzzaun zu Melilla. Dass sie lügen mussten, aus Liberia zu stammen, um einen Asylantrag[4] zu stellen, muss eher der europäischen Abschottungspolitik vorgeworfen werden.
Im Baskenland wurden dann Inaki und später Nico geboren. Bei Athletic Bilbao[5], dem Klub, der nur Basken aufnimmt, wurden sie zu Profis. Obwohl angeblich englische und spanische Großklubs Nico abwerben wollten, verlängerte er im Winter bei seinem Heimatverein. Loyalität mögen Fans überall auf der Welt.
Dürfte die baskische Auswahl bei der EM mitspielen, Williams würde wohl für sie auflaufen. So aber entschied er sich fürs spanische Nationaltrikot, obwohl der Bruder das von Ghana anzog. Spaniens Fans werden dankbar sein, hat Nico Williams doch offensichtlich das Zeug dazu, Spanien zu helfen, seine zwölfjährige Titelflaute zu beenden. Oliver Kern