Der Hass auf »die Anderen« nimmt zu. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres wurden insgesamt 3587 Verfahren registriert, die Hasskriminalität zum Gegenstand haben. Hauptmerkmale derjenigen, die der Hetze ausgesetzt sind, seien Hautfarbe, sexuelle Identität und Orientierung, Behinderung, rassistische Zuschreibung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, politische Einstellung, Religion, Weltanschauung, Herkunft, äußeres Erscheinungsbild oder gesellschaftlicher Status, zählt Johannes Ploog, stellvertretender Leiter der Zentralstelle Hasskrimininalität der Berliner Staatsanwaltschaft, auf Nachfrage von »nd« auf. Nähere Angaben zu den Betroffenen, wie beispielsweise Berufsstand oder ob es Menschen des öffentlichen Lebens[1] sind, »liegen hier nur eingeschränkt vor«, so Ploog.
Laut der Zentralstelle wurden im ersten Halbjahr insgesamt 3587 Verfahren registriert, davon fallen mit 1933 mehr als die Hälfte auf Hetze im Internet[2]. »Eine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände ist damit nicht verbunden«, erklärt Ploog. Unter den Begriff der Hasskriminalität fallen sowohl Beleidigungen, volksverhetzende Äußerungen im Internet und sozialen Medien als auch die »Ausübung physischer Gewalt«.
Im Vergleich zu vergangenen Jahren ist ein Anstieg erkennbar. So wurden 2022 insgesamt 3890 Fälle registriert, also fast genauso viele wie im ersten Halbjahr 2024. 2023 waren es mit 5924 Fällen nochmal deutlich mehr. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass die Zunahme auf die aufgeheizte gesellschaftliche Stimmung zurückzuführen ist. Gleichzeitig soll es aber auch eine höhere Anzeigebereitschaft geben.
»Es ist wichtig, sich nicht erst im Ernstfall mit dem Thema zu beschäftigen, sondern präventiv zu handeln.«
Josephine Ballon Hateaid
»Von einer Zunahme der Strafanzeigen kann man nicht zwangsläufig auf eine Zunahme des Hasses schließen«, sagt Josephine Ballon, Geschäftsführerin von Hateaid, einer Menschenrechtsorganisation für Hassbetroffene im Netz, zu »nd«. Allerdings beobachte auch Hateaid eine Zunahme von Anfragen, die gesellschaftliche Ereignisse aufgreifen. Digitale Gewalt werde in solchen Diskursen systematisch genutzt, »um Menschen mundtot zu machen und die Meinungshoheit für sich zu deklarieren«, so Ballon. Dass sich die Polarisierung auch vermehrt im digitalen Raum durch Übergriffe bemerkbar macht, findet sie »erschreckend«.
Registrierte Verfahren bedeuten allerdings nicht direkt, dass der Tatverdacht sich auch bestätigt hat. So handelt es sich bei den Tatverdächtigen laut Staatsanwalt Ploog nicht nur um jene, die im Rahmen einer Strafanzeige ausdrücklich als schuldig bezeichnet worden sind, sondern auch um Personen, gegen die »ein Anfangsverdacht der Tatbegehung besteht, beziehungsweise bestand«.
Betroffene von Hasskriminalität benötigen »in erster Linie spezialisierte Anlaufstellen«, sagt Ballon. »Es ist wichtig, sich nicht erst im Ernstfall mit dem Thema zu beschäftigen, sondern präventiv zu handeln.« Insbesondere komme es darauf an, private Informationen wie die eigene Adresse oder Telefonnummer im Netz zu schützen. Außerdem sei relevant, Inhalte auf Plattformen zu melden, rechtssichere Screenshots zu erstellen und Anzeige zu erstatten. Betroffene sollten sich darüber hinaus an Dritte wenden und sich nicht scheuen, um Hilfe zu bitten.