nd-aktuell.de / 14.07.2024 / Kommentare / Seite 1

Schlechtes Omen

Die Bahn ist mit der Generalsanierung wichtiger Strecken überfordert

Kurt Stenger
Arbeiten am Fahrdraht
Arbeiten am Fahrdraht

Großveranstaltungen sind nicht so die Sache der Deutschen Bahn. Das hatten viele Besucher der gerade zu Ende gegangenen Fußball-Europameisterschaft schmerzlich zu spüren bekommen, denn die recht dürftigen sportlichen Leistungen wurden von Verspätungen und einer wahren Pannenserie auf der Schiene noch getoppt. Und von Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der das staatliche Unternehmen rüffelt, statt sich als politisch Verantwortlichen an die eigene Nase zu fassen.

Die EM-Turbulenzen sind ein ganz schlechtes Omen für das an diesem Montag gestartete Megaprojekt der Generalsanierungen. Beginnend mit der Riedbahn im Südwesten sollen Dutzende Hauptverkehrsstrecken auf der Schiene nacheinander jeweils über Monate und mit Milliarden komplett erneuert werden. Das ist bitter nötig, denn das Bahnnetz wurde über viele Jahre kaputtgespart. Doch den Zeitplan wird man auch hier nicht einhalten können, daran zweifelt schon jetzt eigentlich niemand mehr. Die große Frage wird sein, ob die Fahrgäste, deren Zahlen trotz aller Widrigkeiten in den vergangenen Jahren zugenommen haben, die nötige Geduld angesichts von längeren Fahrzeiten, Umwegen und Ersatzbussen aufbringen werden. Oder ob auch gutwillige Bahnkunden wieder verstärkt auf die Straße drängen – man könnte zynisch sagen, dass FDP-Mann Wissing geradezu vorausschauend mit Bahngeldern Finanzlücken bei Autobahnen aktuell stopft.

Auch wenn die Generalsanierungen rekordverdächtig sind – sie werden nicht ausreichen, um das Schienenetz wirklich belastbar und widerstandsfähig zu machen. Bei den Schienenknoten in größeren Städten, bei Ausweichstrecken und der Wiederbelbung stillgelegter Trassen liegt ebenfalls vieles im Argen. Vom Personalmangel ganz zu schweigen. Doch die Bahn dürfte schon mit den Generalsanierungen überfordert sein. Was nur einen Schluss zulässt: Sie darf nie wieder in eine Situation kommen, in der alles auf einmal erneuert werden muss – und dafür braucht es langfristig sehr viel Geld, das auch von Autobahnprojekten abgezweigt werden sollte.