Die Ankündigung des Logistikkonzerns Amazon, das Einstiegsgehalt für unqualifizierte Arbeiter auf 15 Euro anzuheben[1], klingt erst mal gut: Das Unternehmen zahlt künftig deutlich über Mindestlohn und liegt sogar auf dem von Olaf Scholz geforderten Niveau. Hat der Konzern also ein soziales Gewissen entwickelt? Wohl kaum, es bleibt schließlich ein profitorientiertes Unternehmen. Das zeigt sich schon daran, dass die zahlreichen Paketzusteller*innen der vielen Subunternehmen, die für Amazon unterwegs sind, leer ausgehen.
Hinter der Entscheidung steckt vielmehr betriebliches Kalkül: Das Unternehmen will expandieren und konkurriert mit anderen um Firmen um Arbeitskräfte. Das – gepaart mit der hohen Inflation – hatte der Gewerkschaft Verdi zuletzt Momentum und viele neue Mitglieder[2] beschert, nicht nur bei Amazon. Zahlreiche erfolgreiche Arbeitskämpfe führten zum Abschluss neuer Tarifverträge. Und so konnte zumindest der dramatische Abwärtstrend mit Blick auf die Tarifbindung abgeschwächt werden. Dass Amazon die Ablehnung eines Tarifvertrags dabei auch mit Verweis auf diesen Trend begründet, ist zynisch und unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf, der gewerkschaftlichen Druck erfordert.
Um nun gleichzeitig Verdi in ihrem Kampf um einen Tarifvertrag[3] den Wind aus den Segeln zu nehmen und neue Beschäftigte anzulocken, erkauft sich der Konzern die Gunst der Niedriglöhner mit einer klassischen Finte. Die aber könnte die Arbeiter*innen später teuer zu stehen kommen.