Mangelnde Kreativität kann man den Verteidiger*innen nicht vorwerfen. Seit im Mai der Prozess gegen die mutmaßliche Führungsriege der »Reichsbürger«-Verschwörung um Heinrich XIII. Prinz Reuß[1] in Frankfurt am Main begann, halten sie mit immer neuen Anträgen und Wortmeldungen ein Thema am Köcheln, das für sie die Rechtmäßigkeit des gesamten Verfahrens infrage stellt.
Es geht darum, dass nicht alle 26 Angeklagten, denen die Bundesanwaltschaft die Vorbereitung eines bewaffneten Staatsstreichs zur Last legt, gemeinsam auf der Anklagebank sitzen. Sondern dass der Komplex auf drei Oberlandesgerichte aufgeteilt wurde: Frankfurt soll vor allem für die treibenden Kräfte der »Patriotischen Union« zuständig sein, Stuttgart für den militärischen Arm[2] und München, nun ja, für den Rest.
»Wir sind hier von einem fairen Verfahren ungefähr so weit entfernt wie die Anklageschrift von der Realität«, sagte Kerstin Rueber-Unkelbach, die die AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann[3] verteidigt. Sie und ihre Anwaltskolleg*innen beanstanden unter anderem, dass sich ihre Mandant*innen nicht wehren können, wenn sie in den anderen Prozessen von Mitangeklagten oder Zeug*innen beschuldigt werden. »Sie sind dort rechtlich gesehen nicht existent«, erklärte Ralf Dalla Fini, einer der Anwälte von Ex-Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder.
Die Verteidiger*innen forderten deshalb erst die Einstellung des kompletten Verfahrens, wollten dann den Vorsitzenden Richter und den Oberstaatsanwalt aus dem Stuttgarter Prozess als Zeugen befragen und beantragten schließlich, zumindest die Kosten für »Informationsreisen« nach Stuttgart und München erstattet zu bekommen. Bislang alles vergeblich.
Dem Frankfurter Staatsschutzsenat reichte es, dass die Bundesanwaltschaft versprochen hat, über »Relevantes« aus den anderen Prozessen regelmäßig zu berichten – was bislang jedoch noch nie passiert ist. Außerdem, sagte Richter Jürgen Bonk, sei die prozessökonomisch begründete Aufteilung durchaus im Interesse der Angeklagten: Weil sonst alles noch viel, viel länger dauern würde.
Und auch wenn das dreigeteilte Verfahren gegen die »Patriotische Union« mit seinen Dimensionen ohne Vorbild ist in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte: Dass nicht alle Beteiligten einer mutmaßlichen Tat gemeinsam vor Gericht gestellt werden, ist weitaus normaler als die Verteidigung behauptet.
Um das zu erkennen, muss man nur auf die »Vereinten Patrioten« schauen – die andere große »Reichsbürger«-Gruppierung, die den Umsturz geplant haben soll und dafür unter anderem Gesundheitsminister Lauterbach entführen wollte. Der laufenden Verhandlung gegen fünf als maßgeblich eingestufte Mitglieder in Koblenz folgten nach und nach Prozesse gegen einzelne Angeklagte in Düsseldorf, Hamburg, München, noch einmal Koblenz und ab Ende August in Frankfurt. Dass dadurch jemand das Recht auf ein faires Verfahren verletzt sah, ist nicht überliefert.