Frau L. ist im siebten Monat schwanger und sitzt im Gefängnis. Der Grund? Sie wurde mehrmals im Bus oder der Bahn ohne gültigen Fahrschein erwischt und konnte die Geldstrafe nicht zahlen. Am Dienstag gab die Initiative Freiheitsfonds[1] bekannt, mit Frau L. die 1000. Person aus dem Gefängnis freigekauft zu haben, die wegen Fahrens ohne Ticket eine Ersatzfreiheitsstrafe absaß. Zusammen mit Frau L. verließen der Organisation zufolge[2] am Dienstag 62 weitere Personen das Gefängnis.
Es ist die inzwischen achte solcher Aktionen, die der Freiheitsfonds »Freedom Day« (Tag der Freiheit) nennt. Die Initiative nutzte den Anlass, um ihrer Forderung an Bundesjustizminister Marco Buschmann Nachdruck zu verleihen. Dieser habe im vergangenen Jahr angekündigt[3], das Fahren ohne Ticket nicht mehr als Straftat zu werten. Bislang legte er aber keinen Gesetzesentwurf vor. »Wenn der Gesetzesentwurf jetzt nicht endlich kommt, wird es bis zur Bundestagswahl nichts mehr mit der versprochenen Entkriminalisierung. Das Justizministerium ist jetzt unter Zugzwang«, so der Gründer der Initiative, Arne Semsrott.
Unterstützung bekommt der Freiheitsfonds von einem »offenen Brief aus der Wissenschaft«, der am Dienstag an Buschmann verschickt wurde. Darin fordern 128 Unterzeichner*innen – darunter bekannte Jura-Professor*innen wie Thomas Feltes, Katrin Höffler oder Florian Jeßberger – die ersatzlose Streichung des Paragrafen 265a StGB, der die sogenannte Beförderungserschleichung als Straftat definiert.
Es seien vor allem in Armut lebende Menschen, die von dieser Regelung betroffen sind, heißt es in dem Schreiben. Dabei handele es sich beim ticketlosen Fahren um ein verhältnismäßig geringfügiges Vergehen, das keine großen Schäden anrichtet. Dafür sei die Strafverfolgung umso teurer: Laut aktuellen Studien ginge jede vierte verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf Fahren ohne Fahrschein zurück. Das koste den Staat jährlich 114 Millionen Euro. Folglich gibt der Freiheitsfonds an, mit seiner Initiative der Steuerkasse bereits rund 15 Millionen Euro gespart zu haben. Außerdem sei die Mehrheit der Bevölkerung für eine Entkriminalisierung.
Doch auch eine Herabstufung von Straftat zu Ordnungswidrigkeit reiche nicht aus, denn auch dann könnten armutsbetroffene Personen immer noch in Erzwingungshaft geraten; diese können Gerichte unter bestimmten Umständen anordnen, wenn eine ausstehende Geldstrafe nicht gezahlt wird. Deshalb solle der Paragraf ganz abgeschafft werden, heißt es in dem offenen Brief. Denn Unternehmen können auch so zivilrechtlich gegen Personen vorgehen, die ohne Ticket fahren.