»Glaubt’s nicht, was die euch da draußen sagen, ich hab’ noch kein einziges Thema gefunden, wo sie uns nicht belügen.« Solche und weitere Sätze stammen von Ricardo Leppe. Er zählt sich selbst zu einem auserwählten Zirkel jener, die alles durchschauen, und hat es sich zur Aufgabe gemacht, vor denen »da draußen« zu warnen.
Der Verschwörungsideologe äußert seine Ansichten bevorzugt über den Messengerdienst Telegram. Über 40.000 Menschen folgen dort dem Account seines 2020 gegründeten Vereins »Wissen schafft Freiheit«. Mit seinem Bruder Elias propagiert Leppe in seinen Posts das Homeschooling sowie die Gründung sogenannter freier Schulen. Vorbild dafür ist die völkisch-esoterische Schetinin-Pädagogik, die durch die Anastasia-Bewegung[1] populär wurde, welche vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet wird.
Bei der brandenburgischen Landtagsabgeordneten Saskia Ludwig (CDU)[2] stießen Leppes Lehrmethoden auf Interesse. Ludwig beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Aufarbeitung der Corona-Pandemie[3]. Für eine Veranstaltung mit dem Titel »Digitale und gesundheitliche Selbstbestimmung: Kinder und Jugendliche aus der Falle holen« wurde ihr Ricardo Leppe als »unkonventioneller bildungspolitischer Referent« empfohlen, wie sie in einer Presseerklärung schreibt. Seine Nähe zur rechtsextremen Anastasia-Bewegung war Ludwig angeblich nicht bekannt. »Nach Hinweisen darauf habe ich die Entscheidung getroffen, dass er an der Veranstaltung nicht teilnehmen wird«, erklärt sie einen Tag nach Bekanntmachung der Veranstaltung.
Doch wusste sie wirklich von nichts? Um von Leppes Hintergrund zu erfahren, muss man nicht tief graben. Schnell landet man etwa bei einer Recherche der Amadeu-Antonio-Stiftung Sachsen und des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts, in der Leppes Verein als »Knotenpunkt in der rechtsesoterischen und verschwörungsideologischen Vernetzung und Teil der Anastasia-Bewegung« bezeichnet wird. Laut diesem Bericht bezieht sich Leppe zudem immer wieder auf die antisemitische und frauenfeindliche »germanische neue Medizin«. Seine Ansichten verbreitet der Österreicher bisweilen über rechtsextreme Medien wie »Auf1«. Auf Nachfrage der österreichischen »Kleinen Zeitung«, ob ihn nicht störe, dass dort rechtsextremes Gedankengut geteilt werde, sagt er: »Nein, überhaupt nicht.«
»Personen aus dem Querdenken-Milieu hinzuzuziehen, ist nicht hilfreich, da dies problematische Positionen normalisiert.«
Jan Rathje Politikwissenschaftler
Leppe hin oder her – Ludwig[4] hat einen Hang zu Verschwörungsideolog*innen. Diese treten bei ihren Podien zur »Aufarbeitung der Pandemie« regelmäßig auf. Darunter etwa die Publizistin Silke Schröder, die für rechtsextreme Medien gearbeitet hat und beim »Geheimtreffen« in Potsdam im November 2023 anwesend war, bei dem der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner seinen »Masterplan zur Remigration« vorstellte. Den Vortrag bezeichnete Schröder später als »gut und konstruktiv«.
Mit diesem Vorgehen konterkariert Ludwig ihr eigenes Ziel, meint Politologe Jan Rathje vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas): »Es ist wichtig, die Auswirkungen der Pandemie und der Maßnahmen zu deren Bekämpfung hinsichtlich negativer Folgen zu diskutieren«, sagt der Politikwissenschaftler. »Personen aus dem Querdenken-Milieu hinzuzuziehen, ist jedoch nicht hilfreich, da dies problematische Positionen normalisiert.«
Auch wenn Ludwig auf Kritik reagiert und den Gast auslädt, scheint das Podium wenig geeignet, um »Kinder aus der Falle« zu holen. Nach wie vor auf der Gästeliste steht Harald Walach, der wegen seiner Positionen zu Homöopathie und Corona sämtliche Anstellungsverhältnisse an Universitäten eingebüßt hat und seit diesem Jahr Vorsitzender eines Querdenker-Vereins ist.