In der nächsten Woche treffen sich Experten zweier medizinischer Fachgesellschaften in Düsseldorf zu einer gemeinsamen Jahrestagung – kurz gefasst sind sie zuständig für die Übertragung von Blut, Stammzellen und soliden Organen (also solche von fester Konsistenz) in Krankenhäusern. Die zuständigen Wissenschaftssparten sind die Immungenetik sowie -hämatologie und die Transfusionsmedizin.
Weil die Spende sowohl von Blut als auch von Stammzellen[1] in Deutschland recht gut organisiert ist, rufen die Mediziner noch einmal gemeinsam dazu auf, ein solches Niveau auch bei der Organspende zu erreichen. Zurzeit warten nämlich in Deutschland etwa 9000 Menschen auf ein lebensrettendes Organ, die meisten davon, etwa 6500, auf eine Niere. Eine Änderung des Transplantationsgesetzes vor zwei Jahren sollte die Spendenbereitschaft fördern. »Je schneller ein Patient transplantiert werden kann, desto größer sind seine Überlebenschancen«, mahnt Andrea Dick von der Gesellschaft für Immungenetik. Die Apothekerin leitet das Labor für Immungenetik und molekulare Diagnostik an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Das neue Gesetz setzt zwar auf mehr Aufklärung der Bevölkerung. Auch ein bundesweites Onlineregister sollte zu einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema bewegen. Aber weiterhin gibt es zu wenig gespendete Organe, sodass jedes Jahr etwa 1000 Patienten versterben, weil es für sie keine andere Therapieoption gibt. Ein Teil der Patienten stirbt auch, weil sich ihr Gesundheitszustand für eine Transplantation zu stark verschlechtert hat. Im Durchschnitt beträgt die Wartezeit für eine Niere acht bis zehn Jahre, womit Deutschland im europäischen Vergleich Schlusslicht ist. In Spanien und Österreich dauert es weniger als vier Jahre.
Zwar hätten sich in dem neuen Register seit März bereits 155 000 Menschen eingetragen[2], obwohl dafür auch noch die Ausweis-App notwendig ist. Letztlich werden aber pro Jahr bislang nur etwa 3000 Organe transplantiert. Die Spenderzahl liegt seit Jahren bei etwa 11 Menschen pro eine Million Einwohner. In Österreich ist sie fast doppelt so hoch (18), in Spanien mit fast 24 Spendern pro eine Million Einwohner sogar noch höher.
Die Zahl der geeigneten Spender, die am Lebensende intensivmedizinisch behandelt werden, liege in Deutschland bei etwa 5000 pro Jahr. In zu vielen dieser Fälle ist der Wille zur Organspende nicht erfasst und auch nicht mehr feststellbar. Kennen Angehörige den Willen eines Verstorbenen nicht, lehnen sie die Spende eher ab. Bist jetzt hat auch die Stärkung der Transplantationsbeauftragten oder eine bessere Vergütung der Kliniken, die Organspenden ermöglichen, nicht zu einer Änderung geführt.
Insofern unterstützen auch die Fachleute, die am Ende die nötige Diagnostik für passgenaue Organspenden absichern, die Einführung einer Widerspruchslösung[3]. Anfang Juli hatte der Bundesrat beschlossen, einen Gesetzentwurf zu diesem Thema in den Bundestag einzubringen. Eine solche Veränderung befürworten die Mediziner nicht zuletzt aus dem Grund, dass damit mehr Patienten unter anderem von verbesserten Transplantationstechniken profitieren könnten.
Ab September gibt es – teils erst theoretisch – noch eine weitere Möglichkeit, die Spendenbereitschaft zu dokumentieren, nämlich in der Krankenkassen-App. Dort ist für alle Versicherten die elektronische Patientenakte hinterlegt, auf die in Zukunft auch die Krankenhäuser Zugriff haben sollen. Ob das wie geplant bis Ende September flächendeckend funktioniert, ist jedoch nicht absehbar.