Mehr als vier Fünftel[1] der Asylanträge türkischer Staatsbürger*innen in Deutschland stammen von Menschen aus dem kurdischen Teil der Türkei – ein deutliches Zeichen für die weiterhin prekäre Lage von Kurd*innen durch staatliche Verfolgung unter dem Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Dennoch plant die Bundesregierung vermehrte Abschiebungen[2] in ein Land, dessen Militär, Polizei und politische Justiz unter dem Vorwand des Kampfes gegen »Terrorismus« demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien seit Jahrzehnten missachtet.
Diese Entscheidung reiht sich ein in eine lange Geschichte des Verrats westlicher Staaten an den Kurden. Wie im Kampf gegen den »Islamischen Staat« in Syrien oder der Befreiung tausender Jesid*innen[3] in Schingal im Irak wurden sie zwar regelmäßig als Verbündete genutzt, anschließend aber fallen gelassen, wenn es geopolitisch opportun erschien. So haben die Nato-Partner etwa der Türkei keine Steine in den Weg gelegt, als diese begann, die kurdische Selbstverwaltung in der Region Kobanê in Nordsyrien zu bombardieren und Gebiete zu besetzen. Diese völkerrechtswidrigen Angriffe setzen sich bis heute fort, auch im kurdischen Teil des Irak[4].
Die geplante Abschiebeoffensive der Bundesregierung fügt sich nahtlos in dieses Muster ein. Statt die spezifische Gefährdungslage von Kurd*innen anzuerkennen – und damit in Konfrontation mit der türkischen Regierung zu gehen – werden die Menschen gegen ihren Willen in einen Terrorstaat gebracht. Der Schulterschluss mit der Türkei ist somit ein weiterer Beleg, dass die von Rechtsextremen geforderte und von der Ampel-Koalition willig umgesetzte Losung »Wir müssen mehr und schneller abschieben« für massive Menschenrechtsverletzungen sorgt.