Es müsste die selbstverständlichste Sache der Welt sein: Wenn eine Naturkatstrophe schwere Zerstörungen in einer Region verursacht, ziehen alle an einem Strang, unterstützen sich gegenseitig bei den Hilfen, und politische Streitigkeiten spielen vorübergehend keine Rolle. In den USA ist derzeit das Gegenteil der Fall, wie die Reaktionen auf die Hurrikane Helene und Milton zeigen. Alles wird vom Wahlkampf überschattet, der in den Staaten ohnehin mit härteren Bandagen geführt wird, als es zum Beispiel in Deutschland Usus ist.
Das Krisenmanagement kann im engen Rennen der Präsidentschaftskandidaten mitentscheidend sein. Spätestens seit dem Hurrikan Katrina 2005 mit seinen vielen Todesopfern im Großraum New Orleans ist klar, dass der Umgang mit solchen Katastrophen die politische Stimmung massiv beeinflusst. Großes Engagement bringt Punkte, es darf aber auch nicht zu übertrieben präsentiert sein. Auch deshalb sagt Präsident Joe Biden Reisen ins Ausland ab, schnürt zusammen mit Kamala Harris milliardenschwere Hilfsprogramme, und man lässt sich genauo vor Ort blicken wie wichtige Politiker der Republikaner. Zusammenarbeit wird kleingeschrieben – es geht mehr darum aufzuzeigen, dass die jeweils andere Seite einen schlechteren Job macht. Und in diesem Jahr zielen die Hilfen auch darauf ab, dass die Wahlen gerade in den betroffenen Gebieten, die in den »Swing States« liegen, abgehalten werden können und eine große Beteiligung zustandekommt.
Als wäre das nicht schon schlimm genug, treibt Desinformation insbesondere aus dem Trump-Umfeld ihr Unwesen. Dies behindert die Arbeit der Helfer vor Ort.
Daher kann man mit Blick auf die Menschen in den betroffenen Gebieten Floridas nur heilfroh sein, dass Milton nicht so extrem geworden ist, wie die Wetterbehörden gewarnt hatten. Diese sind seit einigen Jahren vorsichtiger geworden, warnen lieber zu viel als zu wenig, weil letzteres tödliche Folgen haben kann.
Dabei werden die Anforderungen an die Behörden weiter zunehmen. Bekanntlich werden die Hurrikane durch die sich erhitzenden Meere in Folge der Erderwärmung noch häufiger und extremer. Die Frage, wie diese zu begrenzen ist, spielt allerdings derzeit überhaupt keine Rolle. Donald Trump hält den menschgemachten Klimawandel ohnehin für die Erfindung einer verschwörerischen Elite aus Politik und Wissenschaft. Aber auch Harris bringt ihn kaum zur Sprache, da damit in den USA – wie übrigens auch in Europa – derzeit kein Blumentopf zu gewinnen ist. Und so beschränkt sich die Debatte auf die Frage, wie mit den Folgen umzugehen ist.
Genau zur rechten Zeit hat der US-Ökonom Jeremy Rifkin vor wenigen Tagen ein viel beachtetes Buch über den »Planet Aqua« veröffentlicht. Die Hydrosphäre, die alles Leben auf der Erde erhält, rebelliere im Zuge des Klimawandels, wie an gigantischen Schneefällen im Winter, biblischen Überschwemmungen im Frühjahr, verheerenden Dürren im Sommer und tödlichen Wirbelstürmen im Herbst zu erkennen ist. Statt alle Gewässer auszubeuten und Wasser als Ressource anzusehen, müsse man sich an die Hydrosphäre anpassen und jeden Aspekt unserer Lebensweise überdenken: wie wir mit der Natur umgehen, Wissenschaft betreiben, die Gesellschaft regieren, das Wirtschaftsleben konzipieren und unsere Kinder erziehen. Die Wahlkämpfer in den USA haben Rifkins Buch offensichtlich nicht gelesen. Sie sind nicht einmal zum Selbstverständlichen beim Katastrophenmanagement in der Lage.