Er ist keiner, der auf das Politik-Gewerbe angewiesen ist, weil er in seinem Leben außer Ränkespielen und Redenschwingen noch nie etwas zustande gebracht hat. Als Internet-Wegweiser zu Glück durch Wohlstand hat der Brasilianer Pablo Marçal seit einigen Jahren in einem freien Beruf Fuß gefasst. Das hat er mit anderen Kreativen wie Künstlern und Journalisten gemeinsam. Anders als diese aber hat der 37-Jährige mit seinen Talenten bereits Millionen gescheffelt. Und am Sonntag vor einer Woche fehlte nicht viel, und Marçal wäre in die Stichwahl um das Bürgermeisteramt von Brasiliens wirtschaftlicher Herzkammer São Paulo eingezogen[1]. Mit 1 719 274 Likes an den elektronischen Wahlurnen lag der Influencer jeweils nur rund ein Prozent hinter Amtsinhaber Ricardo Nunes und dem linken Kandidaten Guilherme Boulos.
Nach dem knappen Ausscheiden hat Marçal nicht lange getrauert, sondern sich an die Monetarisierung der gesteigerten Reichweite gemacht. Sein Internetauftritt dient jetzt einer neuen Mission: der Bewegung »Plan reiche Familie«. Der kann sich jeder anschließen und der eigenen die immer erträumte Zukunft bauen. Denn es liege an jedem selbst. Und: Wenn alle individuell zu Geld kommen, geht es auch der Nation endlich besser[2].
Selfmademan Marçal, der vor seinem Jurastudium in einem Callcenter jobbte, hatte schon mehrfach Ärger mit der Justiz. Weder konnte der »Coach« eine Lahme wie versprochen auf die Beine bringen, noch zwei Verstorbene mit Gebeten zurück ins Leben. In den sozialen Medien streut er gern »Alternativen« zu Fakten. Marçals Auftritte und Selbsthilfekurse verkaufen also dasselbe wie die in Brasilien mächtigen Sektenkirchen. Für echte Wunder reicht es auch bei ihm nicht.