Neubauten in Plattenbauweise, gemeinhin »Plattenbauten« genannt, haben einen unverdient schlechten Ruf. Langsam aber sicher setzt allerdings ein Umdenken ein: In Mitte sind seit Montag in den 1980er Jahren in der DDR errichtete Wohn- und Geschäftshäuser unter Denkmalschutz.
Die Gebäude in der »Spandauer Vorstadt« haben wenig gemein mit den Wohntürmen der Großwohnsiedlungen[1], die in Ost- und Westdeutschland in den Nachkriegsjahren auf der grünen Wiese hochgezogen wurden. Diese waren Mittel gegen die Wohnungsnot. Die jetzt denkmalgeschützten Gebäude wurden zwischen 1984 und 1989 gebaut, und schlossen zahlreiche Baulücken und markierten den Übergang von extensiver Stadtentwicklung hin zu intensiver Stadtentwicklung in den Innenstädten. Der historische Stadtgrundriss mit seinen geschlossenen Straßenräumen wurde in weiten Teilen wiederhergestellt. Im Sinne der Berliner Mischung finden noch immer Ladengeschäfte und soziale Einrichtungen in den Erdgeschossen der Neubauten ihren Platz.
Die Spandauer Vorstadt in Mitte war schon insgesamt als Bauensemble denkmalgeschützt. Das Viertel war im Zweiten Weltkrieg vergleichsweise wenig zerstört worden und gilt als »Berliner Altstadt«. Vor allem historische Gebäude, wie die Hackeschen Höfe, die Neue Synagoge[2] oder das alte Postfuhramt waren bisher geschützt. Die 28 neuen Denkmäler befinden sich im Besitz der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Berlin Mitte (WBM)[3], auch die Unternehmenszentrale an der Dircksenstraße ist nun geschützt.
»Die Wohngebäude sind heute ein fester Bestandteil der Geschichte der Spandauer Vorstadt und erfreuen sich aufgrund ihrer attraktiven Lage, Architektur und durchdachten Grundrisse großer Beliebtheit«, sagt Lars Dormeyer, Geschäftsführer der WBM. Sie seien ebenso ein wichtiger Teil der Geschichte der WBM, die seit ihrer Errichtung für deren Vermietung und Instandhaltung verantwortlich ist. »Unsere behutsamen Sanierungen verdeutlichen den hohen Qualitätsanspruch der WBM und zeigen, dass ökologische, soziale und denkmalpflegerische Anforderungen erfolgreich in Einklang gebracht werden können«, so Dormeyer weiter.
»Die Wohngebäude sind heute ein fester Bestandteil der Geschichte der Spandauer Vorstadt.«
Lars Dormeyer
Geschäftsführer WBM
Der Bau der sogenannten »Altstadtplatten«, die sich an der in Berlin üblichen Traufhöhe orientierten, wurde durch Planungskollektive und Baukombinate aus verschiedenen DDR-Bezirken, dem Äquivalent zu West-Bundesländern, ausgeführt. Anfang der 1980er Jahre wurde ein DDR-weiter Wettbewerb ausgerufen, in dem »variable Gebäudelösungen in Großplattenbauweise für das innerstädtische Bauen« gefragt waren. Die auf der legendären »WBS 70«[4] basierenden Lösungsansätze unterschieden sich stark. Unter anderem die Bezirke Neubrandenburg, Gera, Cottbus und Erfurt zeichneten sich für den Neubau in der Spandauer Vorstadt verantwortlich. Die so entstandene Vielfalt an Baustilen ist auch einer der Gründe für den neuen Denkmalschutz. In der Spandauer Vorstadt kann man die ganze Bandbreite an DDR-Neubau-Entwürfen sehen.
In der Landesdenkmalbehörde galten die Neubauten lange nicht als sonderlich herausragend. Im Eintrag auf der Homepage ist von »halbwegs maßstäblich eingepassten Plattenbauten, die für innerstädtische Anwendungen optimiert waren« die Rede, die die Atmosphäre der Altstadt in ihrer historischen Vielfalt und Kleinteiligkeit aber verändert hätten.
Heute klingt das anders: »In den 1980er Jahren wurde die behutsame Erneuerung der historischen Stadt international zum Leitbild einer neuen Bau- und Planungspraxis«, sagt Christoph Rauhut, Direktor des Landesdenkmalamts Berlin. Nur in Berlin habe man das große Glück, dass sich herausragende Bauprojekte aus Ost und West an einem Ort erhalten haben. »Dieses gemeinsame Erbe zu erhalten und zu vermitteln ist eine besondere Aufgabe und Verantwortung, der wir uns gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern bei der WBM gerne stellen«, so Berlins Chef-Denkmalschützer.