Bei ihrem Besuch im Libanon hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) das Leid der Bevölkerung des Landes beklagt. Zwar wies sie die Hauptschuld dafür der Hisbollah[1] zu, deren Akteure sich »hinter Zivilistinnen und Zivilisten verstecken und von dort weiterhin Raketen auf Israel abfeuern«. Sie forderte am Mittwoch in Beirut aber auch, Israel müsse seine Einsätze[2] »an den engen Grenzen des Selbstverteidigungsrechts und des humanitären Völkerrechts[3] ausrichten und das Leben unschuldiger Zivilisten schützen«.
Am Donnerstag wurde nun bekannt, dass die Bundesregierung ihre Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Israel[4] zuletzt wieder erheblich ausgeweitet hat. Allein seit August wurden laut dem Auswärtigen Amt (AA) Ausfuhren im Wert von 94 Millionen Euro nach Israel erlaubt. Das ist mehr als doppelt so viel wie die knapp 46 Millionen Euro, die das Wirtschaftsministerium vergangene Woche dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags für das gesamte Jahr bis zum 13. Oktober gemeldet hatte. Die neue Zahl geht aus einer Antwort des AA auf eine Anfrage der BSW-Abgeordneten Sevim Dağdelen hervor. Das Ministerium lässt aber offen, ob auch Exporte von Kriegswaffen genehmigt wurden.
Im vergangenen Jahr hatte die Ampel noch Rüstungsausfuhren für 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigt, darunter Kriegswaffen für 20 Millionen. Der größte Teil der Zusagen erfolgte nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. In den ersten Monaten dieses Jahres waren die Genehmigungen aber drastisch zurückgefahren worden. Bis zum 21. August wurden nur noch Lieferungen im Wert von 14,42 Millionen Euro genehmigt. Der Export von Kriegswaffen wurde von Anfang März bis zu diesem Datum gar nicht mehr erlaubt. Im Bundestag betonte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) indes zum Jahrestag der Hamas-Verbrechen: »Wir haben Waffen geliefert, und wir werden Waffen liefern.«
Gegen deutsche Rüstungsexporte an Israel ist eine Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag anhängig. Die Regierung von Nicaragua[5] schuldigt Deutschland darin der Beihilfe zum Völkermord. Ende April wiesen die Richter einen Eilantrag zum Stopp der Ausfuhren zwar ab. Der Forderung Deutschlands, die Klage ganz zurückzuweisen, entsprachen sie aber nicht.
Außenministerin Baerbock versicherte in Beirut, jede Waffenlieferung an Israel sei an das humanitäre Völkerrecht gebunden. Für die Experten des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) ist das wenig glaubwürdig. Alexander Schwarz vom ECCHR erklärte am Donnerstag, dass die Ampel sich »die Zusicherung einholt, mit deutschen Waffen nicht gegen humanitäres Völkerrecht zu verstoßen«, zeige, dass sie Verstöße dagegen in Gaza befürchtet. Für die palästinensische Zivilbevölkerung sei eine solche Zusicherung Israels jedoch wertlos. Sie diene »allein dem guten Gewissen im Bundeskanzleramt«.
Das ECCHR hat im Namen eines Mandanten im Gazastreifen am Donnerstag erneut einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Frankfurt gegen den Export deutscher Rüstungsgüter nach Israel[6] eingereicht. Der Mandant hat durch israelische Angriffe bereits Ehefrau und Tochter verloren. Die Menschenrechtsorganisation wies darauf hin, dass die Bundesregierung bis heute nicht Presseberichten widersprochen habe, nach denen Genehmigungen für die Ausfuhr von Panzerersatzteilen an den deutschen Rüstungskonzern Renk Group AG vorliegen, die auch in israelischen Merkava-Panzern verwendet werden. mit dpa
»Israels Zusicherung an Berlin, nicht gegen das humanitäre Völkerrecht zu verstoßen, ist für die palästinensische Bevölkerung wertlos und dient allein dem guten Gewissen im Kanzleramt.«
Alexander Schwarz
Menschenrechtsorganisation ECCHR
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186280.ruestungsexporte-nach-israel-mehr-waffen-fuer-israel.html