nd-aktuell.de / 25.10.2024 / Kultur / Seite 1

Die Linke: »Niemand hier ist Antisemit«

Die Linke zeigt klare Kante gegen Antisemitismusvorwürfe. Eine Glosse

Alex Struwe
Hier ist tatsächlich niemand Antisemit: Stillleben beim Bundesparteitag der Partei Die Linke in Halle/Saale
Hier ist tatsächlich niemand Antisemit: Stillleben beim Bundesparteitag der Partei Die Linke in Halle/Saale

Diese Woche traten gleich mehrere Mitglieder öffentlichkeitswirksam aus der Partei Die Linke aus[1] – wegen eines »Antisemitismusskandals«. Ein paar halbrechte Halbstarke glaubten da wieder einmal irgendwo Antisemitismus in der Linken gefunden zu haben. Und weil ihre Partei versage, sich dagegen zu positionieren, müssten sie also austreten. Mal ehrlich, da steckt doch irgendetwas anderes dahinter, »interner Machtkampf« oder eine rechte Agenda wahrscheinlich, so wie die Hetzkampagnen von der »Bild«. Der frisch gewählte Ko-Vorsitzende Jan van Aken hat es doch eindeutig gesagt: »Niemand hier ist Antisemit.«

Das deckt sich auch mit der Forschung. Jüngst hatte man in einer Mannheimer Studie[2] ja herausgefunden, dass das linke, junge, akademische Milieu am allerwenigsten antisemitisch sei. Propalästinensisch und israelkritisch, ja, das dafür umso mehr; aber das ist ja gerade links, also was ganz anderes als der »klassische Antisemitismus«. Wenn jetzt wieder irgendwelche Antideutschen um die Ecke kommen mit ihren Begriffsverwirrungen, dass der moderne Antisemitismus sich genau in solchen Formen zeige, muss man da klare Kante wie Jan geben: »Wir weisen das zurück!« Und das ist gerade wichtig für den Kampf gegen Antisemitismus!

Denn wer die Keule solcher viel zu weit gefassten Antisemitismusdefinitionen schwingt, verwässert den Begriff und relativiert damit das wirkliche Problem des Antisemitismus. Ein Problem, dass es eben in der Linken gar nicht gibt, sondern »klassischerweise« nur bei Rechten. Und die wollen davon ablenken, indem sie Muslim*innen oder Linken Antisemitismus vorwerfen. Wer das Spiel mitspielt und der Linken Antisemitismus unterstellt, der hilft der Rechten, also der ist eigentlich rechts.

Damit könnte die Sache doch endlich einmal geklärt sein. Wir könnten uns als Linke dem Schicksal der Welt (Israels Krieg!) und den Unterdrückten (Palästina!) zuwenden, statt uns in diesen spalterischen Diskussionen immer um uns selbst zu drehen. Nur ein Problem bleibt leider noch für uns Linke: Wie erklären wir uns denn, dass manche – also immer die anderen natürlich – Antisemiten sind?

Rechte haben es da einfach, sie können ihren Feindbildern irgendein Wesen unterschieben und rassistisch sein: Die sind halt so, die Fremden, und so weiter. So was geht für Linke nicht, wir haben ja diese nervige Selbstverpflichtung, dass wir kein höheres oder tieferes Wesen gelten lassen und immer alles mit den Verhältnissen erklären müssen, wenn es um Menschen und Gesellschaft geht. Die Geschichte machen schließlich wir! Ach so, deswegen haben Linke mal analysiert, dass der moderne Antisemitismus nicht nur Judenhass bedeutet, sondern eine zugespitzte Form des Phänomens darstellt, die Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft projektiv verarbeiten zu müssen, weil man sie nur so aushält und sich nicht so ohnmächtig fühlt. Das macht die Gesellschaft, it’s capitalism, stupid! Zum Glück hat das natürlich nichts mit uns zu tun.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186238.lederer-breitenbach-und-andere-linke-in-der-krise-austritte-bei-berliner-linkspartei.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185968.studie-der-uni-mannheim-vorwurf-des-antisemitismus-an-linke-studierende-oft-unbegruendet.html