Es war eine zähe Auseinandersetzung, die die Beschäftigten der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hinter sich haben: Nach monatelangen Verhandlungen und mehreren Streiktagen[1] im September und Oktober einigte sich die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vergangene Woche mit der Klinikumleitung und der niedersächsischen Landesregierung auf eine Entlastung der Beschäftigten. Das Klinikum ist eine Dienststelle des Landes Niedersachsen.
In der Einigung ist ein verbindlicher Schlüssel festgelegt, der bestimmt, wie viel Personal auf den jeweiligen Stationen und in den Klinikumsbereichen zur Verfügung stehen muss. Wird die Vorgabe unterschritten, erhält das betroffene Personal einen Belastungspunkt. Ab sieben Punkten steht den Beschäftigten ein zusätzlicher freier Tag zu. Die sind jedoch auf zehn Tage ab dem Jahr 2025, zwölf ab 2026 und vierzehn Tage ab 2027 beschränkt. Solche Entlastungsvereinbarungen[2] sind zentrale Forderungen der bundesweiten Krankenhausbewegung, der sich auch die Beschäftigten der MHH angeschlossen haben.
Gegen einen schuldrechtlichen Vertrag, wie er nun vorliegt, hatte sich die Arbeitgeberseite zunächst gesträubt und lediglich eine weniger verbindliche Dienstvereinbarung angeboten. Verdi-Verhandlungsführer David Matrai zeigt sich im Gespräch mit »nd« daher nun sehr zufrieden. »Was wir jetzt haben, ist deutlich besser«, betont er. Denn es handle sich um eine kollektive Vereinbarung zwischen Verdi und der Arbeitgeberseite, die auch individuell einklagbar sei.
»Es waren die wirkungsvollsten Streiks in der Geschichte der MHH.«
David Matrai Verdi-Verhandlungsführer
Doch aller Euphorie zum Trotz: Es ist kein Erfolg auf ganzer Linie. Denn ursprünglich hatte Verdi für einen sogenannten Entlastungstarifvertrag gestritten. Dagegen wehrte sich die niedersächsische Landesregierung, die im Arbeitgeberverband Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) organisiert ist. Der für die Verhandlungen zuständige Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) begründete seine Haltung damit, dass die rechtliche Form Tarifvertrag mit der Satzung der TdL nicht vereinbar sei.
Hintergrund ist, dass Entlastungstarifverträge die bislang engen Grenzen des deutschen Tarifvertrags- und Streikrechts[3] ausweiten könnten, weil sie so unmittelbar den Haushalt der Länder und Kommunen betreffen würden.
Recherchen des »nd« zeigten dagegen, dass das Land Niedersachsen durchaus auf einen Beschluss in der TdL hätte hinwirken können, der einen solchen Vertrag erlaubt hätte. Doch das tat das Land nicht. Im Gegenteil: Noch im Mai dieses Jahres bekräftigte die Mitgliederversammlung der TdL ihre Ablehnung solcher Entlastungstarifverträge einmütig, wie das zuständige Finanzministerium auf nd-Nachfrage mitteilte – also auch mit Unterstützung des Landes Niedersachsen.
Das Vorgehen der Landesregierung bezeichnet Matrai als politischen Skandal, auch weil sie immer wieder versucht habe, die Streiks der Beschäftigten zu unterbinden – in einigen Fällen unterlag Verdi bei Klagen gegen ihre Streikaufrufe vor Gericht. Aber die Beschäftigten hätten sich davon nicht einschüchtern lassen, betont Matrai. »Hunderte haben sich organisiert und Dinge durchgesetzt, die als nicht durchsetzbar galten«, unterstreicht er. »Es waren die wirkungsvollsten Streiks in der Geschichte der MHH.«
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186316.gewerkschaften-hannover-entlastung-an-der-mhh.html