Sie nennen sich selbst »Ansar Allah« – die Gefährten Allahs – und beherrschen große Teile des Jemen. Weithin berühmt wurde die Huthi-Bewegung durch Angriffe auf internationale Handelsschiffe[1] im Roten Meer. Ihrer Ansicht nach würden Schiffseigner versuchen, Verbindungen nach Israel zu verschleiern, etwa durch scheinbare Flaggenwechsel. Ihr wichtigster militärischer Sponsor Iran ist bekannt, doch die Rolle Russlands hat in jüngster Zeit an Bedeutung gewonnen.
Zu Beginn des Bürgerkriegs[2] im Jemen hatte Moskau noch keine Seite der Konfrontation unterstützt. Das liegt daran, dass der Kreml vor Ort keine wichtigen finanziellen Interessen hat wie etwa in Syrien. Russland erkennt weiter die offizielle Regierung Jemens an. Gleichzeitig wurde die russische Botschaft in Sanaa, der Hauptstadt des Jemen, die von den Huthis kontrolliert wird, erst als letzte ausländische Vertretung evakuiert.
Erst als sich die eigenen Beziehungen zum Westen verschlechterten, begann sich Moskau Ansar Allah zuzuwenden. Für den Kreml ist es nun wichtig zu zeigen, dass er in der Konfrontation mit dem Westen federführend die Interessen aller schützt, die ebenfalls einen Groll gegen diesen hegen. Als die USA und Großbritannien im Januar mit der Bombardierung von Huthi-Stellungen begannen, forderte Moskau sogar eine strafrechtliche Verfolgung von Joe Biden. Nach Überzeugung von US-Geheimdiensten versorgt Moskau die Huthis nun mit Waffen und Militärberatern.
Das Bild kommt vor Ort gut an. »Putin ist der Einzige, der gegen den Westen rebelliert. Er ist der Einzige, der keine Angst vor Biden, Macron oder Scholz hat. Wir unterstützen den Präsidenten Russlands, wir sind an seiner Seite«, meint zu »nd« etwa der 43-jährige Besitzer einer Bäckerei am Stadtrand von Sanaa, der auch an Kundgebungen zur Unterstützung der Huthis teilnimmt. Ansar Allah war viele Jahre international isoliert und findet nun im Kreml einen vorteilhaften Partner. Dafür sind die Huthis bereit, Moskaus internationale Positionen zu teilen. Beispielsweise erkannten sie 2022 die Unabhängigkeit der von Russland besetzten Donbassrepubliken an.
Als Gegenleistung erfreuen sich die jemenitischen Rebellen an der loyalen Position Moskaus im UN-Sicherheitsrat. Allerdings beschränken sich ihre Bedürfnisse nicht auf diplomatische Unterstützung. In diesem Sommer berichteten zuerst US-Medien, dass Russland sich auf Waffenlieferungen an die Huthis vorbereite.
Aus Moskau gibt es zu solchen Meldungen stets keinen Kommentar. Die Huthis vor Ort bestreiten jede militärische Unterstützung von außen. »Vielleicht gab es solche Absichten, aber es ist nichts passiert«, lautet die Stellungnahme von Muhammad Albukhaiti, einem Mitglied des Politbüros der Rebellen gegenüber »nd«. Im Folgenden verweist er jedoch gleich auf die wichtige Rolle Russlands »bei der Bekämpfung der amerikanischen Hegemonie im Nahen Osten und auf der ganzen Welt«.
»Putin ist der Einzige, der gegen den Westen rebelliert. Wir sind an seiner Seite.«
Bäcker und Huthi-Unterstützer in Sanaa
»Wir stehen der Position Russlands und Chinas, die die Aggression der USA und Großbritanniens gegen den Jemen verurteilen, sehr positiv gegenüber«, fügt Albukhaiti hinzu und lenkt die Aufmerksamkeit sogleich wieder auf die diplomatische Unterstützung. »Die Möglichkeit, Waffen aus Russland in den Jemen zu liefern, wurde tatsächlich in Betracht gezogen. Diese Lieferung wäre über den von Ansar Allah kontrollierten Hafen von Hodeidah erfolgt«, meint dazu gegenüber »nd« ein Beamter des Außenministeriums in Sanaa, der anonym bleiben will.
Ihm zufolge wurde als Alternative zum Seeweg die Lieferung durch Afrika in Betracht gezogen. Dabei hätte es sich nicht um fertige Waffensysteme, sondern um Komponenten gehandelt. »Saudi Arabien übte jedoch Druck auf den Kreml aus. Es drohte, seine Position zu den Ölpreisen zu ändern«. So hätten die Russen scheinbar ihre Pläne aufgegeben.
Dennoch verzeichneten Experten des UN-Sicherheitsrats in den letzten knapp zwei Jahren verschiedene Versuche, Panzerabwehrwaffen und Sturmgewehre russischen Typus in den Jemen zu schmuggeln. Das »Wall Street Journal« spricht davon, dass diese vom russischen Waffenhändler Viktor Butin ins Land gebracht würden. Während die Huthis Lieferungen oder Militärberater dementieren, bestätigte ein Regierungsbeamter in Sanaa gegenüber »nd«, dass eine Anwesenheit von russischen Militärberatern in den von den Huthis kontrollierten Regionen Jemens wahrscheinlich sei.
»Es handelt sich um Mitarbeiter des Geheimdienstes mit gefälschten Pässen unter falschen Namen. Formal repräsentieren sie humanitäre Organisationen. Auf diese Weise operieren iranische Berater im Jemen[3] seit Langem«, erklärt der Beamte und bestätigt, dass die Russen bei militärischen Angelegenheiten, der Seeschifffahrt und Fernaufklärung beratend unterstützen.
Das Bruttoinlandsprodukt des Jemen ist in den letzten zehn Jahren um mehr als 50 Prozent gesunken. Etwa sechs von zehn Jemeniten leben in extremer Armut[4]. Vor diesem Hintergrund begannen die Huthis in der Bevölkerung an Popularität zu verlieren. Ihre Sabotageakte im Roten Meer[5] und der Beschuss Israels mit Raketen[6] »als Zeichen der Solidarität mit den Palästinensern« dienten dazu, ihre Legitimität zu stärken. Seit November 2023 haben die Huthis mehr als 70 Handelsschiffe angegriffen[7].
Für die normalen Jemeniten ändert dieses aggressive Vorgehen kaum etwas. »Diese Sprüche haben nur Propagandawirkung.[8] Die Angriffe bringen auch den Palästinensern nicht wirklich etwas«, meint gegenüber »nd« etwa Fuad Al-Banna, Professor für Politologie aus Taiz im Zentraljemen, einer Stadt, die seit zehn Jahren von den Huthis belagert wird.
Die wirtschaftliche Perspektive für den Jemen ist düster. Die Huthis werden nicht nur deshalb ihre militärische Aktivität verstärken. Dafür werden sie militärische Unterstützung ihrer Partner – Iran und Russland – benötigen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186542.jemen-liefert-russland-waffen-an-die-huthis.html