nd-aktuell.de / 14.11.2024 / Berlin / Seite 1

Berlin: Über Suizid sprechen kann Leben retten

Die Zahl der Suizide in Berlin steigt: Eine neu geschaffene Fachstelle informiert über das Präventionsangebot

Jule Meier
Nicht immer ist das Leben wie ein sorgloser Sommertag im Grünen: Wenn sich der Horizont verfinstert, kann reden helfen.
Nicht immer ist das Leben wie ein sorgloser Sommertag im Grünen: Wenn sich der Horizont verfinstert, kann reden helfen.

Zwischen 2019 und 2022 ist die Zahl der Suizide in Berlin von Jahr zu Jahr gestiegen. 2019 haben 259 Männer und 109 Frauen Suizid begangen. 297 Männer und 150 Frauen waren es 2022. Für den Zeitraum bedeutet das einen Anstieg um 15 Prozent bei den Männern und 37 Prozent bei den Frauen. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. Die Dunkelziffer wird hoch eingeschätzt. Welches Angebot können Betroffene und Angehörige nutzen, um sich oder andere zu schützen? Welche Leerstellen gibt es in der Suizidprävention und wie kann man diese füllen?

Markus Geißler leitet die Berliner Fachstelle Suizidprävention, die es seit 2022 gibt und die von der Senatsgesundheitsverwaltung gefördert wird. Träger ist der Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V. Geißler sagt »nd«, dass es grundsätzlich viele Hilfsmöglichkeiten zur Prävention von Suizid in Berlin gebe. »Das Problem ist nur: Viele wissen nicht, wohin sie sich wenden können«, sagt er. Darum hat die Fachstelle auf ihrer Website einen Hilfefinder eingerichtet.

Für Geißler ist klar: Es braucht mehr Öffentlichkeit für das Thema[1]. »Menschen haben Angst, darüber zu sprechen«, sagt er. Es brauche Orte und Menschen, um das Thema zu besprechen – »fachlich und persönlich«, sagt Geißler.

Eine Antwort der Senatsgesundheitsverwaltung auf eine Anfrage der Abgeordneten Bettina König (SPD) vom 5. November 2024 zeigt, welche Angebote Betroffenen helfen: Da wären neben den Kliniken, Krisendiensten und Telefonseelsorge-Hotlines das Projekt »U25« des Caritasverbands. Geißler sagt, dass die häufigste Todesursache für unter 29-Jährige der Suizid sei. Ferner gibt es seit 2022 kostenlose psychische Erste-Hilfe-Kurse für alle Berliner*innen.

Als Leerstelle bezeichnet Geißler bauliche Veränderungen. »Man kann nachweisen, dass eine starke Suizidabsicht in der Regel nur für ein kurzes Zeitfenster da ist und deshalb kann die Sicherung eines bestimmten Gebäudes einen entscheidenden Unterschied machen«, sagt er. Durch den jüngst im Bundestag fast einstimmig beschlossenen Entwurf eines Suizidpräventionsgesetzes könne man diese Leerstellen schließen. Auch die Finanzierung der Fachstelle und anderer Präventionsangebote ließe sich so auf sichere Beine stellen. Bisher ist die Fachstelle abhängig von Zuwendungsbescheiden. Die Haushaltssperre[2] sei ein großes Problem für die Planbarkeit, sagt Geißler.

Auch die Abgeordnete König ist froh über die »Reihe von sehr guten Präventionsangeboten«, insbesondere für junge Menschen, wie sie »nd« sagt. »Ein nationales Suizidpräventionsgesetz, das eine dauerhafte Umsetzung von Prävention sicherstellt, würde ich für sehr sinnvoll halten und hoffe, dass die künftige Bundesregierung dies weiterverfolgt«, sagt sie.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186230.pedro-almodovar-almodovars-the-room-next-door-finale-einer-lebenssymphonie.html?sstr=suizid
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183505.exklusiv-oyoun-foerdermittelaffaere-in-joe-chialos-kultursenat.html?sstr=haushaltssperre