Einmal im Jahr zieht eine Behindertenselbstvertretung[1] ins Berliner Abgeordnetenhaus. Dann bewegen sich die Teilnehmer*innen vornehmlich per Rollstuhl durch die Sitzreihen, und die Lage behinderter Menschen wird zum zentralen Politikum. Auch im diesjährigen Berliner Behindertenparlament am 7. Dezember können Berliner*innen mit Behinderungen[2] oder chronischen Erkrankungen sowie deren Angehörige und Unterstützer*innen als Parlamentarier*innen auftreten, über Anträge beratschlagen und abstimmen, sowie an der Fragestunde mit Senator*innen teilnehmen.
In sogenannten Fokusgruppen erarbeiten vorab Ehrenamtliche mit und ohne Behinderungen Anträge, die nach Beschluss des Parlaments dem Senat zur Anregung und Beantwortung vorgelegt werden. So wurden 2023 in einem Antrag[3] »barrierefreie Fußwege« verlangt. Für Menschen mit Behinderungen seien insbesondere herumstehende und -liegende Mietfahrräder und -E-Roller ein Hindernis und eine Gefahrenquelle.
Als Maßnahme fordert das Parlament eine Konzessionierung der E-Roller und Mietfahrräder für wenige Anbieter. Über diese exklusiven Nutzungsrechte sei dann eine Regulierung vorzunehmen über die Anzahl der Fahrzeuge, feste Abstellstationen und Sanktionen. In seiner Antwort teilt der Senat mit, dass die E-Scooter bereits auf 19 000 Stück begrenzt seien. Die Sondernutzungserlaubnis für die Anbieter sei bereits an Bedingungen geknüpft: »Bodenindikatoren, Handläufe, Informationsstelen oder ähnliches sind freizuhalten.« Verstöße gegen diese Bedingungen und die Flottengröße ließen sich bereits überprüfen.
Stefan Dominik Peter zeigt sich zufrieden, dass alle sieben Anträge aus dem vergangenen Jahr vom Senat beantwortet wurden und sich auch in diesem Jahr wieder viele Senator*innen angekündigt hätten. »Das kann ich nur darauf zurückführen, was das Behindertenparlament leistet und dass eine Wertschätzung dessen erfolgt«, sagte Peter, Vorstandsvorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin und Mitinitiator der ersten beiden Behindertenparlamente 2021 und 2022, am Donnerstag im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses.
Wie ein »roter Faden« ziehe sich laut Peter ein Muster durch die Antworten des Senats, die teils bis zu acht Seiten lang sind: »Wir sagen, es gibt folgende Probleme und der Senat antwortet, er sehe diese Probleme nicht.« Das legt auch die zitierte Antwort des Senats zu den barrierefreien Fußwegen nahe.
Des Weiteren sei es eine Herausforderung, jedes Jahr die Finanzierung auf die Beine zu stellen. Aus dem Ehrenamt heraus habe man vier Anträge geschrieben und dennoch bloß zwei Drittel des Betrages für eine auskömmliche Finanzierung bewilligt bekommen. Peter verweist auf die Bürgerschaft in Bremen. Dort sei die Finanzierung ein Haushaltsposten, der bis zu 90 Prozent der Finanzierung sicherstelle.
Staatssekretär Aziz Bozkurt regte an, für eine bessere Verzahnung zwischen Behindertenparlament und Abgeordnetenhaus eine Änderung der Geschäftsordnung der Verwaltung ins Auge zu fassen. Der gemeinsame Diskurs könne ausgebaut werden, wenn beispielsweise in allen Ausschüssen über die Anträge des Behindertenparlaments mündlich beraten werden müsse.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186779.behindertenparlament-anerkennung-ist-keine-inklusion.html