Kürzungen bei Berliner Unis: Sparhammer mit Abfederung

Unis sollen 100 Millionen Euro einsparen. Czyborra verspricht Augenmaß

Leere Hörsäle, leere Köpfe: Kürzungen beim Budget der Hochschulen könten bedeuten, dass das Studienangebot eingeschränkt wird.
Leere Hörsäle, leere Köpfe: Kürzungen beim Budget der Hochschulen könten bedeuten, dass das Studienangebot eingeschränkt wird.

Die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) stellt den Universitäten ein Entgegenkommen bei den anstehenden Neuverhandlungen der Hochschulverträge in Aussicht. »Wenn es weniger Geld gibt, muss man auch fragen, welche Leistungen wir dafür verlangen«, sagte sie am Montag vor dem Wissenschaftsausschuss des Abgeordentenhauses. Die erforderlichen Kürzungen sollten nicht »durch Verdikt von oben«, sondern in Zusammenarbeit mit den Hochschulleitungen erfolgen.

Mit den Hochschulverträgen werden die Finanzen der Berliner Universitäten geregelt. Vereinfacht gesagt überweist der Senat den Hochschulen einen Sockelbetrag, über den sie weitgehend frei verfügen können, dazu kommen flexible Finanzierungsanteile, die die Hochschulen für das Erfüllen von Aufgaben etwa in der Lehrkräftebildung erhalten. Die zu Beginn des Jahres für fünf Jahre abgeschlossenen Hochschulverträge sahen eigentlich eine kräftige Finanzspritze für die Unis vor. So sollten die zugewiesenen Mittel jedes Jahr um fünf Prozent ansteigen.

Schon wenige Monate nach Vertragsabschluss standen die Aufwüchse allerdings schon wieder zur Disposition. In der Debatte um notwendige Kürzungen im Berliner Landeshaushalt geriet schnell auch der Wissenschaftsbereich ins Visier. Nach monatelangem Verhandlungspoker stand mit der Mitte November vom Senat beschlossenen Kürzungsliste fest, dass bei den Hochschulen mehr als 100 Millionen Euro wegfallen sollen. Nachdem Wissenschaftssenatorin Czyborra lange Zeit ausgeschlossen hatte, dass die bereits abgeschlossenen Hochschulverträge nochmal angerührt werden, sprach sie in der vergangenen Woche erstmals von »Nachverhandlungen«.

Czyborra sagte im Wissenschaftsausschuss nun, dass die Verhandlungen bis zum Ende des ersten Halbjahres 2025 abgeschlossen sein sollen. Ein Teil der Summe könne demnach durch Rücklagen der Hochschulen refinanziert werden. »Bei den Hochschulen gibt es erhebliche Rücklagen«, sagte Czyborra. »Das ist erstmal Geld, das eingesetzt werden kann.« Aus den Rücklagen finanzieren die Universitäten im Normalfall vor allem eigene Bauvorhaben. Weil der Senat parallel auch die Landesmittel für Investitionen in den Neubau an den Hochschulen kürzt, dürfte die Bautätigkeit also zu großen Teilen zum Erliegen kommen – obwohl sich an den Unis über die Jahre ein milliardenschwerer Sanierungsstau gebildet hat.

Auch bei Forschung und Lehre dürfte es zu Kürzungen kommen. Wo genau, will die Wissenschaftsverwaltung in enger Abstimmung mit den Hochschulen entscheiden. »Im Wesentlichen werden das die Hochschulen im Rahmen ihrer Autonomie machen«, sagte Czyborra. »Wir sagen nicht: ›Ihr streicht die und die Professur.‹« Bei den Verhandlungen werde man nach Doppelstrukturen suchen, die ohne größere Auswirkungen auf das Studienangebot gestrichen werden könnten. Zudem soll Bürokratieabbau den Personalbedarf der Hochschulen im Verwaltungsbereich senken.

Auch außerhalb der Universitäten soll es im Wissenschaftsbereich zu Kürzungen kommen. Das Studierendenwerk, das Mensen und Wohnheime verwaltet, verliert allein knapp ein Drittel seines Budgets. Es kündigte deshalb bereits an, die Semesterbeiträge erhöhen zu wollen. Auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen müssen mit Einschnitten leben: Das Institut für angewandte Forschung (IFAF) soll 2,4 Millionen Euro weniger Zuschüsse erhalten, beim Weizenbauminstitut für Digitalisierungsforschung sollen 1,5 Millionen Euro wegfallen. Die »Berlin Quantum Alliance«, die Quantenforschung unterstützt, soll laut der vom Senat beschlossenen Kürzungsliste komplett gestrichen werden.

Zumindest letzteres revidierte Czyborra allerdings direkt wieder im Wissenschaftsausschuss. Quantenforschung sei ein »Zukunftsfeld«. Dort solle nicht gekürzt werden. Wissenschaftsstaatssekretär Henry Marx (SPD) stellte in Aussicht, beim Weizenbaum-Institut behutsam zu kürzen. »Wir können Geld rausnehmen, ohne dem Institut zu schaden«, sagte er. Die Finanzierung des Internet-Instituts steht ohnehin auf wackeligen Beinen: Zuletzt zeichnete sich ab, dass die bislang befristeten Mittel für das Institut nicht verstetigt werden.

Bei der Opposition rief das Agieren der Wissenschaftsverwaltung in der Haushaltskrise scharfe Kritik hervor. »Sie haben sich im Frühjahr für die Erhöhungen feiern lassen«, sagte die Grüne-Abgeordnete Laura Neugebauer in Richtung von Wissenschaftssenatorin Czyborra. Jetzt erlebe man aber eine »Rückwärtsspirale«. Mit ihren häufig wieder zurückgenommenen Statements habe Czyborra »mixed signals« an die Wissenschaft geschickt. »Die Hochschulen brauchen aber Zuverlässigkeit«, so Neugebauer. Linke-Wissenschaftsexperte Tobias Schulze sprach sich dafür aus, alternative Finanzierungsmodelle an den Universitäten zu nutzen. »Wir reden seit langem über eine Investitionsgesellschaft für Bauvorhaben, aber Fortschritte sehe ich keine«, sagte er.

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